Odyssee für Mustafajs geht weiter

■ In Bayern inhaftierte Kosovo-Familie kommt frei, muß aber nach Sachsen-Anhalt zurück / Dort war sie vor Skins geflüchtet

Nürnberg (taz) – Zenun Mustafaj aus Kosovo ist froh, daß er nach zwei Monaten seine Zelle in der Abschiebehaft in München-Stadelheim verlassen kann. Aber er muß nach dem Willen der Ausländerbehörde beim Landratsamt Dachau mitsamt seiner neunköpfigen Familie wieder nach Sachsen- Anhalt zurück. Dort war die Familie aus Angst vor Übergriffen im Herbst 1992 geflüchtet.

Der 54jährige Kosovo-Albaner saß in seiner Heimat im Gefängnis, da sein ältester Sohn aus der serbischen Armee desertiert war. Zusammen mit der Familie floh er nach seiner Entlassung nach Deutschland. Ende 1991 wurden die Mustafajs in einem Flüchtlingsheim in Neugattersleben in Sachsen-Anhalt untergebracht. Nach mehreren Pöbeleien überfielen Skinheads Anfang September 1992 die Unterkunft, sie drangen in die Wohnungen ein. Die hinzugekommene Polizei konnte Schlimmeres verhüten. Die betroffenen Familien lebten seither in Angst. Das zuständige Landratsamt erlaubte der Familie Mustafaj, für zwei Wochen zu Verwandten nach Freudenstadt zu fahren. Nach Neugattersleben kehrten die Mustafajs nicht zurück. Sie tauchten in München unter. Vater Zenut stellte unter anderem Namen einen neuen Asylantrag. Der erste war im Mai 1993 abgelehnt worden. Im Herbst 1994 wurde die Identität der Familie aufgedeckt. Außer der 22jährigen Tochter mit ihrem einjährigen Sohn wurde die Familie festgenommen, das Amtsgericht in Dachau ordnete Abschiebehaft an. Für Mutter Ajmone Mustafaj dauerte die Haft bis Mitte Dezember. Vater Zenut und seine vier ältesten Söhne kamen jetzt erst nach zwei Monaten Haft in Stadelheim frei. Die Rechtsgrundlage für die Abschiebung sei entfallen, urteilte das Amtsgericht Dachau. Abschiebungen nach Restjugoslawien seien derzeit nicht möglich, da die Regierung in Belgrad Flüchtlingen aus dem Kosovo die Einreise verweigert und sie sofort zurückschickt. Abschiebehaft sei aber nicht dazu da, die Zeit zu überbrücken, bis entsprechende Vereinbarungen mit Serbien über Abschiebungen getroffen sind.

Über das Urteil kann sich Familie Mustafaj nicht recht freuen. Das Dachauer Landratsamt steht auf dem Standpunkt, daß die Familie auf jeden Fall nach Sachsen-Anhalt zurückmüsse – die Behörde habe „nur in Amtshilfe gehandelt“. Die Familie soll jetzt aber nicht mehr in einer Einzelwohnung untergebracht werden, sondern „zu ihrer Sicherheit“ in einer zentralen Unterkunft in Wittenberg. Bernd Siegler