Vom Parteiblatt zur AG

■ Ab morgen gibt die italienische Linkszeitung "il manifesto" Aktien aus, eine Dividende ist allerdings nicht vorgesehen

So ändern sich die Zeiten: hatten es die Redakteure und Mitarbeiter des kleinen italienischen Linksblattes il manifesto noch vor ein paar Jahren abgelehnt, andere Zeitungsverleger oder auch Gewerkschaftsverbände als nennenswerte Sozii in ihre Trägergesellschaft aufzunehmen, so zeigen sich die Zeichen der neuen Ära nun deutlich: ab morgen wird il manifesto, das sich im (fast unlesbar kleinen) Untertitel noch immer „Kommunistische Tageszeitung“ nennt, zur Aktiengesellschaft.

Gesucht werden Anleger, die Pakete im Nominalwert von je 500.000 Lire (umgerechnet etwa 475 Mark) erwerben. Bis Ende April sollen dadurch gut zehn Millionen Mark als Geldspritze für den Ausbau der Zeitung hereinkommen. Das wären dann 30 Prozent des gesamten Gesellschaftskapitals.

Den Rest halten vorläufig noch die Redakteure und Angestellten über ihre „Cooperativa manifesto“, zusammen mit 536 Kleinaktionären. Zu denen gehören immerhin renommierte Wirtschaftsfachleute und zahlreiche Personen aus Kultur und Showbusineß. Auf längere Sicht will die Kooperative noch weitere knapp 20 Prozent verkaufen – wobei das Statut der Aktiengesellschaft vorsieht, daß die Kooperative stets 50 Prozent plus eine Aktie behalten muß.

Diese Kapitalzufuhr schien den bisherigen Eignern deshalb geraten, weil das Blatt sich innerhalb der letzten Jahre ziemlich gut auf dem heißumkämpften italienischen Zeitungsmarkt behauptet hat. In sieben Jahren hat sich die Auflage fast verdoppelt: auf nunmehr 58.000 (siehe Artikel links). Nun wollen die Blattmacher modernisieren und erweitern. Bedenken, daß das Linksblatt sich irgendwann in den Händen von Mischkonernen oder Banken befinden könnte, wie es mit fast allen Zeitungen und Zeitschriften im Lande geschehen ist, haben die il- manifesto-Leute nicht, mit der Absicherung ihrer absoluten Mehrheit im Statut fühlen sie sich sicher. Solidarische Fachleute legen da allerdings die Stirn in Sorgenfalten: Auch bei scheinbar wasserdichten Gesellschafterverträgen hat es schon böse Überraschungen gegeben – so vor fünf Jahren bei La Repubblica und L'Espresso.

Berlusconi als Menetekel

Deren Verlag wurde aus Geldmangel von seinem Eigner Carlo Caracciolo plötzlich zunächst an den Olivetti-Konzern verkauft, von diesem dem Mondadori-Verlag zugeschlagen – und der fand sich dann nach einer Nacht-und- Nebel-Aktion unversehens in den Händen Berlusconis. Nur weil dem Mailänder Medienzaren das Geld ausging, konnten sich die beiden Blätter noch einmal befreien.

Auch die Plazierung der Aktien durch Italiens zweitgrößte Bank, die Banca di Roma, hat gewisse Verwunderung ausgelöst, schaltet sich dieses – voriges Jahr auch in Schmiergeldskandale verfilzte – Institut doch in immer mehr Zeitungen und Informationsagenturen ein: „Die sind politisch rundherum zugange“, so L'Espresso, „offenbar um sich bei allen Richtungen etwas zu sichern“.

Daß die Lösung einer AG ihre Gefahren hat, wird bei einem Vergleich mit dem taz-Modell klar: während bei einer Genossenschaft, wie die taz sie vor drei Jahren gebildet hat, die Akkumulierung von Anteilen in einer Hand ausgeschlossen ist, könnten sich die manifesto-Macher plötzlich einem großen Minderheitsgesellschafter gegenübersehen, der auf Dauer bis zu 49,9 Prozent der Anteile zusammenkaufen kann. Längerfristig will die Zeitung jedenfalls mit ihren Aktien an die Börse und unterliegt dann dem freien Verkauf.

Der Kauf von Aktien wird zwar für viele Anleger nicht sonderlich attraktiv sein, da eine Dividendenzahlung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Doch sollte jemand einmal wirkliches Interesse haben, die kritische Zeitung um ihre politische Linie zu bringen, wäre das angesichts des niedrigen Gesamtkapitals nicht schwierig. Er bräuchte dann nur glaubhaft zu machen, daß eine größere Kapitalerhöhung zur Abwendung geschäftlicher Einbrüche notwendig ist, und schon hätte die Kooperative Probleme, mitzuziehen. Dann könnte sie sogar gerichtlich gezwungen werden, von ihren 50,1 Prozent herunterzugehen – und müßte dem Kapitalgeber und neuen Mehrheitsaktionär das Sagen überlassen, bis hin zur Liquidierung des Unternehmens.

Über derlei Aussichten denken die manifesto-Macher lieber noch nicht nach: Sie sind noch ganz damit beschäftigt, zu lernen, was sie da nun eigentlich gemacht haben. Als die taz über den etwas schwammig geschriebenen Prospekt für Kauf-Aspiranten hinaus genauere Auskunft zum beginnenden Aktienverkauf begehrte, stieß sie eher auf Ratlosigkeit und Rückfragen der Geschäftsführer untereinander, wie man die Frage wohl am besten beantworten könne. Werner Raith, Rom