Von Tellerrand zu Tellerrand

Inhomogen, expandierend, feministisch? Der deutsche BücherFrauen e.V. und sein trocken Brot auf dem Weg zum Schulterschluß am Beispiel Berlin  ■ Von Silvia Plahl

Zwei Jahre nach ihrer Gründung feierten die Berliner BücherFrauen „Finissage“. Sie schrieben ihre geplatzten Illusionen auf Zettelchen und packten sie in Luftballons. Nachdem die zerknallt waren, blieb der Frust zurück. Seither läuft alles viel besser.

Sie waren nicht richtig in Schwung gekommen. 1990 haben sich erstmals deutsche Frauen zusammengetan, um nach dem Vorbild der englischen „Women in Publishing“ (WiP) ein frauenspezifisches Netzwerk innerhalb der Buchbranche zu spinnen. Verlagsfrauen, Buchhändlerinnen, Autorinnen, Übersetzerinnen, Agentinnen, Bibliothekarinnen wollten es selbst in die Hände nehmen, ihre Arbeitssituation zu verbessern. Denn auch das zahlenmäßig von Frauen bestimmte Buchmetier wird von Männern geführt.

So auch in Berlin. Nachdem sich in München die erste Städtegruppe des deutschen BücherFrauen e.V. gebildet hatte, begannen in Deutschlands Hauptstadt eine Handvoll Frauen, Kontakte zu knüpfen. Monatliche Treffen wurden organisiert, um die Berliner WiPs zum Schulterschluß zu bewegen. Erfahrungen und Informationen sollten sie tauschen, Fort- und Weiterbildung anleiern, durchführen und besuchen. Analog zu den old boys networks sollten die solcherart geknüpften Kontakte auch dazu dienen, sich gegenseitig Aufträge und freie Stellen zuzuschanzen.

Das Interesse war mäßig. Gerade mal zwölf Frauen bildeten den harten Kern, der regelmäßig an den Treffen teilnahm. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, war noch geringer, und eine Stabilisierung der Berlingruppe lag in weiter Ferne. Es reichte nicht aus, sich nur zu finden und zu treffen. Die Frauen mußten Vereinsmeiern lernen. „Viele legten eine derart passive Konsumhaltung an den Tag, daß unser zartes Pflänzchen fast einging“, sagt heute die Vorsitzende der Berliner WiPs, Andrea Krug. Erst nach der „Finissage“ legten die Hauptstadtfrauen ein Organisationsteam fest, das sie ins dritte Jahr hinüberrettete.

Es passiert jedoch auch heute noch, daß die WiP als Jobbörse mißverstanden wird, „die wir gar nicht sein könnten, selbst wenn wir wollten“, erklärt die Pressesprecherin der Berliner Gruppe, Christa Emde. Vor allem die vielen arbeitslos gewordenen Ostberliner Buchexpertinnen konnten auch von den WiPs nicht aufgefangen werden. Noch im Herbst 92 waren die Berliner BücherFrauen West auf die Suche nach den BücherFrauen Ost gegangen und hatten ihren Treffpunkt vom Frauenzentrum Begine in Tiergarten ins Ostberliner Frauenzentrum EWA in Prenzlauer Berg verlegt. Die dreißig Berliner WiPs teilen sich heute in ein Drittel Ostfrauen und zwei Drittel Westfrauen. „Bei den Veranstaltungen verwischt die Ost- West-Perspektive immer mehr“, hat Andrea Krug beobachtet. „In einigen Ostberliner Verlagen arbeiten ja inzwischen auch Frauen aus den alten Bundesländern.“ Trotzdem ist „Ost-West“ an jedem der Berliner Abende automatisch Thema, vor allem wenn die BücherFrauen von ihrem Werdegang oder der Entwicklung ihres Arbeitsplatzes berichten.

Auch ohne die Ost-West-Unterschiede dominiert in den heute zwölf deutschen Städtegruppen (darunter eine starke in Dresden und eine aufkeimende in Leipzig) die Vielfalt: Die Wege ins Buchmetier sind sehr unterschiedlich, und je nach den örtlichen Gegebenheiten fokussieren die Damen. In Deutschlands größter Verlagsstadt München stehen verlegerische Fragen im Vordergrund. In Hamburg gibt es erstaunlich viele Übersetzerinnen; Stuttgart ist die Domäne der Bibliothekarinnen. Von deren Spezialisierung zehren dann auch die anderen Gruppen, denn die WiPs kommunizieren nicht nur am Schaffensort miteinander, sondern auch überregional. Zweimal im Jahr veröffentlichen sie einen Newsletter, und dieses Jahr wurde die zweite blaue BücherFrauen-Broschüre aufgelegt, eine Art Branchenverzeichnis mit allen zur Zeit 500 deutschen WiPs.

„Ich habe über die Broschüre schon einige Übersetzerinnen gekriegt“, sagt Lektorin und Verlegerin Andrea Krug. „Da ist ja keine in einer Festanstellung. Sie arbeiten frei, also stark vereinzelt.“ Um sich gegenseitig lancieren zu können, brauchen die Frauen Infos zu Interessen, Qualifikationen und Spezialgebieten ihrer Kolleginnen. Das BücherFrauen-Blaubuch gibt da bestens Auskunft. „Wir sollten allerdings über diese Kontakte hinaus auch Eitelkeiten abbauen“, findet Andrea Krug. Die gebe es vor allem zwischen Buchhandel und Verlag. Oft weiß die Buchhändlerin nämlich überhaupt nicht, wie etwa die Vertriebsfrau im Verlag arbeitet, könnte ihr aber sicher sagen, welches Buch sich warum gut verkauft oder eben nicht. Verlegerin Andrea Krug läßt mittlerweile Romanprojekte, die noch in Manuskriptform sind, in Frauenbuchläden gegenlesen.

Nach einem deutlichen Mitgliedsschub im letzten Jahr wird jetzt auch im Bundesverein diskutiert, wie der BücherFrauen e.V. professionalisiert werden kann. Eine Strukturreform weg vom Basisdemokratischen hin zum strafferen, hierarchisch Orientierten steht zur Debatte. Schon denken die WiPs über einen Berufsverband nach und wollen eine Frauenbeauftragte im Börsenverein des deutschen Buchhandels. Außerdem wird über einen eigenen BücherFrauen-Preis diskutiert. Noch sind sich die Frauen jedoch uneins darüber, ob dies nun ein herkömmlicher Autorinnenpreis oder ein spartenübergreifender Preis werden soll, der an eine Autorin wie eine Herstellerin oder Sortimenterin „für besondere Leistungen“ vergeben werden könnte.

Da sind die WiPs dann wieder eine Gruppe, die so inhomogen ist, wie die Arbeitsbereiche der Frauen verschieden sind. Und wenn die Lektorin im Frauenbuchverlag und die Graphikerin eines alteingesessenen Lexikonverlages aufeinandertreffen, dann ist natürlich auch das Thema Feminismus im Verein Anlaß zu Kontroversen. Andrea Krug dazu: „Wie oft haben wir schon wegen des großen I gestritten... Ich finde aber, daß bei den BücherFrauen ein Feminismus im Sinne von frauenbefreiend und frauenvoranbringend nicht überholt ist.“ In Berlin haben sich die WiPs vorerst aus Frauenräumen verabschiedet. Zumindest örtlich. Sie treffen sich jetzt im Literaturhaus. Das könnte frau sogar als gesellschaftlichen Aufstieg deuten.

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