Zwischen Dorfkirche und Network

Vierte „Credo-Bit“ endet heute im hessischen Friedberg / Elektronischer Beichtstuhl hatte die meiste Publicity / Alte Kirchenuhren elektronisch umrüstbar / Predigtbausteine aus dem Computer  ■ Von Heide Platen

Frankfurt (taz) – Warum sollen Männer mit Bäffchen und Talar weniger verspielt sein als andere: der katholische Pastoralreferent Norbert Albert drückt die bunten Tasten eines Telefons aus Lego- Steinen, Kollegen ziehen, konfessionsübergreifend begeistert, die Handys aus den Jackentaschen. Pfarrerinnen sind (nicht nur) auf der „Credo-Bit '95“ eher selten. Rund 800 BesucherInnen und 36 Aussteller treffen sich zum vierten Mal in der Stadthalle im hessischen Friedberg zur dreitägigen Messe, die heute zu Ende geht, um Soft- und Hardware rund um den Kirchturm und weltweit auszutauschen. Das lockt Spötter an, was wiederum die Veranstalter, den inzwischen neun Jahre alten Verein „Pfarrer & PC“ ein wenig ärgert. Dabei sagt Geschäftsführer Norbert Albert selbst: „Als wir anfingen, galten wir als Exoten.“ Er hat alle Höhen und Tiefen der klerikalen Annäherung an den PC miterlebt. Da gab es manische Pioniere, die nächtelang im Kampf Mensch gegen Dämon Maschine standen, Individualisten mit nichtkompatiblen Schrumpler-Programmen und Verweigerer. Und der kirchlichen Obrigkeit mit ihren Rechenzentren war es bange vor Machtverlust durch den Computer als dezentrale Verwaltungseinheit in jedem Pfarrhaus. Unter der Decke schwelt dazu ein Glaubenskrieg um DOS und MAC.

Daß sich die Medien heuer ausgerechnet auf den elektronischen Beichtstuhl stürzten, bei dem abgefragt werden kann, wie viele Ave Maria und Vaterunser Buße genug sind für zum Beispiel die Sünde des Zerreißens von Heiligenbildchen, war nicht ganz so beabsichtigt. Systemdesigner Hartmut Landwehr sagt ganz ernst, er habe eigentlich gewollt, daß „die Menschen nachdenklich werden, innehalten, sich auf sich selbst besinnen“, statt sich zu amüsieren. Vereinsvorsitzender Detlef Rose hat es einfacher, belustigten Fragen auszuweichen. Er sei, sagt er auf der Pressekonferenz, evangelischer Seelsorger und deshalb kein Experte für katholische Beichte und Buße.

Norbert Albert sieht den Nutzen der EDV ganz weltlich. Da sind in den rund 40.000 Pfarrämtern jede Menge Dateien zu verwalten über Gemeindemitglieder, Taufen und Trauungen, Personal- und Materialkosten von Kindergärten, Altenhilfe, Einsatzpläne der GemeindehelferInnen. Inzwischen wird auch das Standardsoftwareprogram „Friedhofsverwaltung“ angeboten. Katholiken können ihre Ministrantenlisten, auf denen in manchen süddeutschen Gemeinden bis zu 200 Knaben stehen, per Computer sortieren. Alte Kirchenuhren lassen sich, eine Neuheit, auf Funksteuerung umrüsten, und das Läuten ist parallel automatisierbar.

Bibel-Software mit Suchprogramm ist schon gewöhnungsbedürftiger. Die Predigtbausteine, Grafiken und Texte für Gemeindeblätter, die ein Verlag auf Diskette anbietet, ersparen Schreibarbeit und Schnipselei, sind aber inhaltlich so hausbacken wie ehedem. Albert erhofft eine klarere, modernere grafische Gestaltung der Publikationen. Ein frommer Wunsch, denn auch Pfarrer spielen eben gerne: es wimmelt in manchen Produkten kreuz und quer von selbstgestylten Buchstaben- Würmchen, die einer Karnevalszeitung alle Ehre machen könnten.

Daß die christliche Theologie zur Ethik im Kommunikationszeitalter etwas sagen will, ist verständlich. Das abendländische Monopol auf Jenseits und Mystik gebietet dies geradezu. Deshalb meldete sich dieser Tage der Kölner Religionspädagoge Bernd Beuscher zu Wort. Er kam zu dem Ergebnis: „Die PC-Anwender beginnen nach und nach, selbst wie Computer zu denken.“ Die Komplexität der irdischen Welt werde mit der „Escape-Taste“ gelöscht: „Das ist die Verführung zu einem ganz leichten Tod, einfach nur den Menschen in mir einschlafen lassen, dann beginnt die Metamorphose, nicht zum Übermenschen, sondern die zur Maschine.“ „Pfarrer & PC“ sieht das pragmatischer und möchte den Computer als elektronisches Arbeitsgerät auf sein irdisches Maß zurückgestutzt wissen.

Währenddessen dräute es vor einer Woche aus dem erzbischöflichen Ordinariat München gegen biblisches Adventure, Computerspiele, bei denen zum Beispiel David von lästigen Eichhörnchen beim Einsammeln von Schafen gestört wird. Dagegen bricht in Friedberg auf Nachfrage der Lehrer in einem evangelischen Pfarrer durch, der vorschlägt, inhaltlich saubere, belehrende und natürlich selbstprogrammierte Spiele anzubieten. Dann übernimmt der gegen Bilderstürmer geübtere Katholik Albert: „Kirche kommt ohne Bilder nicht aus.“ Schon in der Bibel sei „eine Fülle von Metaphern und Bildern“ enthalten. Er verweist auf Flügelaltäre und TV, meditiert eloquent über die Frage, „was wirklich wirklich sei“ und zitiert Luther: „Dein Gott ist, woran dein Herz hängt.“ Der hannoversche Pastor Dirk Lange kartet protestantisch nach. Computer, gibt er zu bedenken, sind doch eine Erleichterung für „das Erstellen von Formularen und Formbriefen.“