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SanssouciNachschlag

■ Das Freie Schauspiel zeigt ein Monologstück von Janosch

Titel: „Zurück nach Uskow“. Das will der alte Steiner sicher nicht. Erster Untertitel: „Eine Spur von Gott“. Die hat er sein Leben lang gesucht, wie er jetzt, kurz vor seinem Tode, resümiert. Zweiter Untertitel: „Der Hund von Cuernavaca“. In dessen grünen Augen zwischen räudigem Fell meint Steiner, einen Abdruck des Gottesfingers doch einmal erkannt zu haben. Das Tier, das sich unbeeindruckt treten läßt, vom Mensch, dem Gott der Hunde, zeigt die Gelassenheit, die man zum Leben braucht. Der Titel von Janoschs erstem Bühnenstück von 1992 ist ein gedehntes Rätsel. Der Text selbst läßt keine Fragen offen. Ein alter Steinmetz erzählt sein Leben: Kindheit im erzkatholischen Polen, wo ihm Lebensfreude, erste Liebe und Lust mit Geboten ausgetrieben wurde, Antisemitismus sowie seine vermeintliche Sündhaftigkeit, die er nur im Suff vergessen konnte. Und die wachsende – kühne! – Ahnung, es gebe gar keinen Gott. Lachend wollte er sterben. Jetzt aber „kann ich nicht lachen, und ich sage es einmal so dahin: wenn du am Ende nicht lachen kannst, ist dir das Leben nicht geglückt“.

Im winzigen Bühnenraum des Freien Schauspiels hat Alexander Selski die Wände mit dunklen Tüchern bespannt. Das wirkt wohlig und erdrückend zugleich: Mutterbauch und Sarg. Als es später soweit ist, klopft der Tod nicht an die Türe, sondern der Raum füllt sich mit dem Klang von Herztönen. Tocktock, tocktock. So steht am Ende des Lebens doch wieder der Körper, den zu überwinden dem Schüler Steiner zur Lebensaufgabe gemacht wurde. Dieser letzte Triumph des Menschen über das Dogma macht zu diesem Zeitpunkt aber keinen Eindruck mehr. Anderthalb Stunden Abrechnung mit dem Katholizismus sind vorangegangen, ein zuweilen zaghafter philosophischer Text, mit Anklängen des bekannten Tigerentencharmes („Herr Hecht konnte nicht fliehen, er hatte nur ein Bein“), der aber meist wie ein einziger verbaler Zeigefinger in eine Wunde pikt, die hierzulande wohl nur wenige schmerzt. In Polen könnte das wirken, da würden auch die Papstbilder, die gelegentlich auf einem Monitor zu sehen sind, mächtig provozieren. Vielleicht aber auch nicht.

Man könnte dies lakonisch spielen. Die Regisseurin Elke Latusek jedoch hat sich mit ihrem Schauspieler Alfred Lux für die Drastik entschieden. Lux, Jahrgang 1926, spielte in der Volksbühne und am Maxim-Gorki-Theater und leitete das Kleinsttheater „minimax“, bis Honecker es verbot. Zuletzt trat er u.a. im Globe Theater auf. Er, ein kräftiger Typ, illustriert Steiners Geschichte inbrünstig und findet doch zu keiner Haltung. Wo er mit dem Publikum zu spielen versucht, biedert er sich an. Und wie er am Ende lacht, ist ohne Zauber, ohne Irresein und ohne Glück oder Verzweiflung – reines Handwerk. Dennoch kam die autobiographisch geprägte Geschichte des Kinderbuchautors und -zeichners Janosch (Jahrgang 1931) bei der Premiere sehr gut an. Das Publikum, meist mittleren Alters, konnte über die katholischen Verklemmungen lachen wie über Stammtischwitze. Auch eine Wirkung. Petra Kohse

Bis 12.3., Do.–So., 20.30 Uhr, Freies Schauspiel, Pflügerstraße 3.

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