Gnadenloser Wettbewerb der hehren Moral

Im Teehandel gilt das Gebot der Fairneß nicht für den Umgang deutscher Unternehmen untereinander / Streit und Unterstellungen im Gerangel um den besten Ruf / Auch in Biotee wurden Schadstoffe gefunden  ■ Von Stefanie Ehnes

Im fünften Stock des Mehringhofs in der Gneisenaustraße liegt der Geruch von Tee in der Luft. Das Lager der Handels- und Verlagsgesellschaft „Ökotopia“ ist kistenweise mit Hundert-Gramm- Päckchen gefüllt. 40 Sorten Tee, davon 9 aus biologischem Anbau, sind mit Rücksicht auf die Umwelt in ungebleichtem Papier mit einer Aromaschutzschicht verpackt.

Angefangen haben die Ökotopier 1980 mit den bekannten Attributen der Alternativszene: Selbstverwaltung, Rotationsprinzip, keine strukturelle Hierarchie und Einheitslöhne waren ihre Bausteine zum Aufbau einer alternativen Ökonomie in Sachen Tee. „Das ,Öko‘ von Ökotopia kommt eigentlich von Ökonomie, nicht von Ökologie“, sagt Mitarbeiter Hans Häge. Ab Mitte der achtziger Jahre kam für die Berliner Teehändler der Umweltschutzaspekt hinzu. Der Tee sollte nun nicht nur möglichst ohne Zwischenhändler in Indien gekauft werden, sondern auch noch aus kontrolliert biologischem Anbau stammen.

Inzwischen ist die Konkurrenz hart und die Redlichkeit des Handels mit Biotee fraglich geworden. „Ich frage mich, ob es überhaupt Biotee gibt“, sagt Conrad Bölicke- Steffen, Pressesprecher der Berliner Projektwerkstatt „Teekampagne“: „Auch die Betreiber von Bioplantagen in Indien spritzen Pestizide und andere Gifte, wenn die Ernte gefährdet ist. Ihr Lebensunterhalt hängt doch davon ab.“

Giftstoffe bei einer Stichprobe gefunden

Zwei große Skandale in den letzten zwei Jahren geben ihm recht. Ökotopia mußte 1993 einen Teil seines Tees wegen zu hoher Tetradifonwerte zurückziehen. In den Tees der Firma „nur natur“ fand das Berliner Labor „Meßzelle“ 1994 zu hohe Rückstände an Pentachlorphenol (PCP). „Wir haben dieses Gift zufällig bei einer Routineuntersuchung gefunden. Man muß da ganz genau arbeiten. Die Hersteller benutzen jedes Jahr andere Gifte in der Hoffnung, daß sie niemand entdeckt“, sagt Vorstandsmitglied Andreas Fürstenau. Die Firma nur natur jedoch versichert, bei eigenen Messungen keine Rückstände gefunden zu haben.

Nachdem die taz über den PCP- Fund berichtet hatte, bemängelte das Unternehmen massiv, daß es von Meßzelle nur die Analyseergebnisse und kein Analysezertifikat der Untersuchung bekommen habe. In einem Schreiben an die taz zweifelt die von nur natur beauftragte Werbeagentur Eisele deswegen die Ergebnisse von Meßzelle an. Bei nur natur vermutet man eine Verleumdungsaktion der Konkurrenzfirma Teekampagne: „Wir denken, daß die Teekampagne Auftraggeber der Untersuchung war. Trotzdem haben wir die Produkte vom Markt gezogen“, sagt Hubert Bichler von nur natur.

Bölicke-Steffen von der Teekampagne weist das weit von sich: „Warum sollten wir Geld dafür ausgeben, Tees von Konkurrenten zu untersuchen? Die Leute von der Meßzelle sind selber darauf aufmerksam geworden, daß in der Ernte 1994 Tetradifon war.“ Der taz liegt das Untersuchungsergebnis der Meßzelle vor. Aus ihm geht hervor, daß die zulässige Höchstmenge an PCP bei den betroffenen Tees achtfach überschritten war. Und Meßzelle-Sprecher Fürstenau versichert, daß „nicht vereinbart“ gewesen sei, nur natur ein Zertifikat zur Verfügung zu stellen.

Biotee ist teurer, schmeckt aber nicht besser

Ökotopia hat aus dem Skandal vor zwei Jahren weitere Konsequenzen gezogen. Wie die Teekampagne kauft man den Tee erst, wenn Rückstandskontrollen vor Ort zufriedenstellend ausfallen. „Wir verlassen uns nicht mehr auf den kontrolliert biologischen Anbau“, sagt Hans Häge. Das habe aber seinen Preis. „Wir würden gerne noch mehr Biotee anbieten, aber dadurch, daß er teurer ist, wird er weniger gekauft“, sagt er. Er kann das Kaufverhalten der Kunden noch aus einem anderen Grund verstehen: „Der Tee schmeckt nicht besser. Viel wichtiger für die Qualität ist die Anbauregion.“

Bölicke-Steffens stimmt ihm zu: „Bio ist für uns nur ein Kriterium für Qualität, daher auch nicht unser Aushängeschild. Die Auswahl der Blätter ist viel entscheidender.“ Ein Drittel ihrer Produkte bezieht die Teekampagne aus ökologischem Anbau, doch ihr Biotee ist im Gegensatz zu dem von Ökotopia nicht teurer. „Wir haben was dagegen, daß sich das nur der ökologisch orientierte Mittelstand leisten kann. Bioprodukte werden deshalb so teuer angeboten, weil es sich die BAT-IIa-Doppelverdiener leisten können“, sagt er.

Wer Kaffee trinkt, hat mehr Chancen auf Fairneß

Oberstes Ziel der Projektwerkstatt sei es, für Verteilungsmasse zu sorgen. Damit das Preis-Leistungs- Verhältnis stimmt, verzichteten sie vollständig auf Zwischenhändler. Der faire Handel sei ihnen wichtig, doch seien sie kein entwicklungspolitisches Projekt. „Beim Tee ist fairer Handel schwieriger als beim Kaffee. Während beim Kaffee kleine Genossenschaften davon profitieren, sind es bei den Teeplantagen erst einmal die Großgrundbesitzer. Aber: Wir beteiligen uns nicht am gnadenlosen Wettbewerb der hehren Moral.“