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Nachhilfe für Gaddafis Militär

■ BND-Mitarbeiter soll in Libyen arabische Nahkämpfer ausgebildet haben / Fragestunde im Bundestag

Bonn (taz) – „Ich bin seit 20 Jahren im Geschäft, und in der Zeit habe ich eine gute Nase bekommen. Ich versichere ihnen, die Sache stinkt.“ Norbert Gansel, SPD- Außenpolitiker und immer mal wieder mit der Aufklärung dubioser Waffenverkäufe beschäftigt, ist mit den Erklärungen von Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer ganz und gar nicht zufrieden. Alle Skandale der letzten Jahre, so Gansel, seien von Journalisten und nicht vom Parlament aufgedeckt worden. Meistens stimmten die Geschichten. So wird es wohl auch diesmal sein, ließen etliche Abgeordnete in einer Bundestagsfragestunde am Donnerstag abend durchblicken.

Vor zwei Wochen präsentierte der Stern den Ex-Fallschirmjäger der Bundeswehr, Major Hans-Dieter Raethjen, der in den 60er Jahren für den Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet hatte. Raethjen behauptet jetzt, er sei von 1979 bis 1983 im Auftrag des BND nach Libyen geschickt worden. Sein Job: die Ausbildung von Gaddafis persönlicher Prätorianergarde in Nahkampf und lautlosem Töten. Offiziell wurde der Mann von der Firma Telemit Electronic GmbH engagiert, ein Unternehmen, in das die Libyer sich eingekauft hatten. Es hielt enge Kontakte zum BND und spendete zumindest in den Jahren 1986 bis 1988 an die FDP.

Kohls „Agent 008", Schmidbauer, versuchte die Parlamentarier erst einmal auf der formalen Ebene auflaufen zu lassen. Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) mit dem Vorsitzenden SPD-Mann Penner sei eingehend informiert worden. „Herr Penner hat anschließend erklärt, die Darstellung von Herrn Raethjen in der Öffentlichkeit sei falsch.“ Doch so leicht wollten die nicht informierten Mitglieder des Bundestages, vor allem die Grünen, sich nicht abspeisen lassen.

„Andere Zugänge nach Libyen“

Seitdem stehen sich bei dem Ausbildungsprojekt Libyen zwei Versionen diametral gegenüber. Raethjen behauptet, der BND habe ihn geschickt, weil die Bundesregierung sich in der fraglichen Zeit bei Gaddafi lieb Kind machen wollte, um libysche Öllieferungen zu sichern. Er kann allerdings auch nicht erklären, warum er erst jetzt mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit geht. Die Bundesregierung hingegen erklärt, der BND habe zwar von Raethjens Libyen- Abenteuer gewußt – der Mann sei aber ganz und gar auf eigene Faust in den Wüstensand gegangen.

Im August 1978, so Schmidbauer nach Aktenlage, habe der zuständige Abteilungsleiter im BND abgelehnt, Raethjen bei seinem Libyen-Auftrag zu unterstützen. Der damalige Präsident des BND und heutige Außenminister Kinkel habe erst im April 1980 von Raethjen erfahren und auf der Akte vermerkt: „Finger weg“. Warum Kinkel 1980 noch anordnen mußte, der BND solle von einer Sache die Finger lassen, die er angeblich nie angefaßt hat, konnte oder wollte Schmidbauer nicht erklären. Auf die Frage, warum der BND nicht verhinderte, daß ein ehemaliger Bundeswehroffizier und Geheimdienstmitarbeiter sich in Libyen als Söldner anheuern ließ, gab Schmidbauer eine Antwort, die alles sagt und nichts zugibt: „Im Zeitraum 1979 bis 1981 waren andere Zugänge zu Libyen notwendig, deshalb wurde gegen Raethjen nicht vorgegangen.“

Schließlich, so der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch, seien sich damals alle Parteien einig gewesen, daß zur Bekämpfung deutscher Terroristen gute Kontakte zu den arabischen Staaten notwendig sind. Jürgen Gottschlich

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