Himmlischer Friede in Chinas Presse

■ Kritische JournalistInnen werden mit Arbeitslager von zwei Jahren bis lebenslänglich bestraft. Auch in Hongkong gibt es längst keine freie Presse mehr

Je näher das Ableben Deng Xiaopings und das damit befürchtete politische Beben rücken, desto schärfer versucht die Regierung in Peking, kritische Stimme zu unterdrücken. Spätestens mit der Verurteilung des Hongkonger Journalisten Xi Yang und seines chinesichen Informanten im März vergangenen Jahres machte die Regierung in Peking deutlich, daß es keine unabhängige Öffentlichkeit geben darf. 12 Jahre Haft für Xi Yang und 15 Jahre für den Bankangestellten Tian Ye, der „Finanz- und Wirtschaftsgeheimnisse“ an die Presse weitergegeben habe.

Rechtliche Grundlage des Urteils war das „Staatsgeheimnis“ der VR China. Es bestimmt ganz allgemein, daß alles, was mit Staatssicherheit und -interessen zu tun hat, Staatsgeheimnis ist. Damit ist es der Partei überlassen, was sie als Verletzung von Staatsgeheimnissen von Fall zu Fall festlegt. Jeder Journalist steht daher bei seiner Arbeit in der Volksrepublik China stets mit einem Bein im Arbeitslager. Wie im Falle des Dissidenten Wei Jingsheng, der 1979 zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden war, soll auch im Falle des Reporters Xi Yang das Urteil nicht von einem Gericht, sondern zuvor im Politbüro gefällt worden sein.

Xi Yang ist nicht der einzige Fall, der zeigt, wie Beijing mit der Presse umgeht: Verurteilt wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen wurden auch die Journalisten: Bai Weiji (zehn Jahre); Wang Jun (zwei Jahre), Wu Shishen, Mitherausgeber der Nachrichtenagentur Neues China (lebenslänglich), Yang Jianwen (zehn Jahre wegen „konterrevolutionärer Tätigkeit“), Yu Dongyue (20 Jahre), Zhang Jingsheng (13 Jahre), Hu Yongbin (zwei Jahre), Fu Shengqi (drei Jahre). Andere Journalisten wurden verhaftet, erhielten aber bislang keinen Prozeß.

Nur wenige Hongkonger Zeitungen bringen noch kritische Berichte über die VR China. In ihrem jährlichen Bericht vermerkt die Hongkong Journalist Association mit Blick auf 1994, daß die Freiheit der Meinungsäußerung in Hongkongs Medien in wachsendem Maße unterdrückt wird. Das gleiche gilt fürs Fernsehen: Über bestimmte Ereignisse wie die Niederwälzung der Demonstrationen am 4. Juni 1989 wird entweder nicht oder nur in Andeutungen berichtet, Gedenkfeiern hierzu werden verschwiegen. Der BBC ist seit April 1994 vom Satelliten „gekippt“ worden und kann nicht mehr in Südchina senden, vielleicht bislang Beijings größter Erfolg. Wenn dennoch etwas Kritisches gesendet wird, so wird die Sendung von der VR China aus gestört. So geschehen beim Sender ATV: In Südchina wurden plötzlich zu Beginn eines Nachrichtenmagazins, das eine kurze Sequenz über die Ereignisse von 1989 enthielt, die Bildschirme dunkel, und statt der geplanten Sendung gab es für die Zuschauer dann ein lustiges Popkonzert.

Von Xi Yang hat man seit seiner Verurteilung nichts mehr gehört. Auch der Vater der Demokratiebewegung, Wei Jingsheng, ließ das Regime „verschwinden“. Doch weiß man von ihm und wenigen anderen wenigstens die Namen. Von den meisten, die nach 1989 in den Arbeitslagern verschwanden, sind nicht einmal die Namen bekannt. Peter Seladonis, Hongkong