Ein treuer Spitzel namens Romeo

■ Lutz Bertram hielt die Stasi auf dem laufenden

Berlin (taz) – Erleichterung dürften sie Lutz Bertram nicht gebracht haben, die Auszüge aus den Stasi-Akten, die gestern von der Gauck-Behörde herausgegeben wurden. Auf 212 Seiten schildern Eintragungen in die Akte seiner damaligen Frau, daß er ein williger Spitzel des DDR- Systems gewesen ist. Diese Unterlagen können nur eine grobe Vorstellung davon vermitteln, in welchem Maße Bertram agiert hat. Die eigentliche Akte „Romeo“ wurde vom Führungsoffizier vernichtet.

„Romeo“ trat freiwillig in die Stasi- Dienste. Kein Hinweis in den Berichten, daß er sich einen Vorteil wegen seiner Blindheit versprochen hatte. Dieses Motiv, so wie er es in seinem öffentlichen TV- Outing weismachen wollte, war es nicht, weshalb er Musiker aus Ost und West aushorchte. Er spitzelte auch in Kreisen der GEW und der Initiative Rock gegen rechts. Die Gespräche mit ihm, so notierte sein Führungsoffizier, verliefen „offen und freimütig“. „Romeo“ war ein eitler Fatzke, der Wert darauf legte, „daß man ihm seinen hohen Intellekt im Gespräch auch immer wieder bestätigt“. Auf der Habenseite verbuchte er kleine Geschenke, eine Wohnung und den freien Postverkehr, ohne Zollbegutachtung.

Was gestern gefunden wurde, reicht dem ORB nicht aus, den freien Mitarbeiter zu schassen. Bertram soll im Musikbereich eingesetzt werden, ohne Mikrofonpräsenz. Ein wohlgewähltes Angebot. Gestern kam heraus, daß ORB-Musikchef Wolfgang Martin auch bei der Stasi unterschrieben hatte. Er wurde mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Annette Rogalla Seiten 5 und 10