„Ich bin zu Verhandlungen mit Belgrad bereit“

■ Kroatiens Außenminister Mate Granić über die serbisch-kroatischen Beziehungen

taz: Am 12. Januar hat der kroatische Präsident Franjo Tudjman den Rückzug der Truppen der Vereinten Nationen aus Kroatien und damit den serbisch besetzten Gebieten in Kroatien gefordert. Viele Politiker in Europa befürchten nun, es könnte zu einem erneuten Krieg in Kroatien kommen.

Mate Granić: Um in dieser Frage zu einem Urteil zu kommen, sollte man erst einmal feststellen, worum es in diesem Konflikt geht. Immer noch sind 23 Prozent des kroatischen Territoriums besetzt. Die lokalen serbischen Freischärler haben zwar ihr ursprüngliches Ziel nicht erreicht, das darin bestand, fast ganz Kroatien zu besetzen. Aber es ist ihnen gelungen, den größten Teil der kroatischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, das waren 218.000 Personen, zu vertreiben. Von ehemals 600.000 Einwohnern sind nur noch 200.000 geblieben.

Unsere Regierung hat keinen Zweifel daran gelassen, daß wir eine friedliche Lösung anstreben. Wir haben alle Forderungen der UNO akzeptiert. Und die UNO hat in der Tat in der ersten Zeit dafür gesorgt, daß die Waffen in diesen sogenannten Unpas (UN-protected aereas) schwiegen. Später jedoch ist es zu keinen großen Fortschritten mehr gekommen. Die besetzten Gebiete sind trotz der Anwesenheit von UNO-Truppen praktisch in das ökonomische System Serbiens integriert worden.

Was wir mit der Forderung, die UNO-Truppen sollten sich aus Kroatien zurückziehen, also wirklich wollen, ist, den Verhandlungsprozeß wieder anzukurbeln. Wir wollen Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft, mit Belgrad und den lokalen Serben. Und wir wissen, daß die Reintegration der serbisch besetzten Gebiete in Kroatien durchaus auch für die dort lebende serbische Bevölkerung attraktiv sein wird. Seit der Öffnung der Autobahn in Slawonien können sich immer mehr Serben aus den Unpas davon überzeugen, daß sie in unserem Gebiet nichts zu befürchten haben. Es kam bisher zu keinen Zwischenfällen. Am 27. Januar werden wir eine lokale serbische Delegation treffen und wir werden unter anderem über die Öffnung der Pipeline (die von der Küste nach Slawonien führt) und über die Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs (von Zagreb über Knin nach Dalmatien, d. Red.) reden.

Sie haben ja schon Ende November ein Abkommen mit den Vertretern der serbischen Behörden aus den besetzten Gebieten geschlossen, da war doch Verhandlungsbereitschaft zu sehen. Um so mehr überrascht es, daß Tudjman gerade jetzt den Rückzug der UNO-Truppen fordert und damit die Situation verschärft.

Die UNO-Truppen haben in der kroatischen Öffentlichkeit ein ziemlich schlechtes Ansehen.

Die UNO ist ja an ihr Mandat gebunden. Fordern Sie also eine Veränderung des Mandats für die Unprofor?

Damit haben wir viele schlechte Erfahrungen gemacht. Wir haben vom Sicherheitsrat alle sechs Monate gefordert, das Mandat zu verändern. Nichts ist geschehen. Aber Kroatien ist selbstverständlich bereit, mit der internationalen Gemeinschaft zu diskutieren und ein Verhandlungsergebnis auch umzusetzen. Aber im Augenblick sehen wir uns gezwungen, das Mandat der Unprofor zum regulären Zeitpunkt zu kündigen. Die erste Reaktion aus Belgrad war übrigens nicht so schlecht.

Immerhin hat der serbische Präsident Slobodan Milošević seinen Sicherheitsrat einberufen.

Wir wollen nicht den großen Krieg zwischen Kroatien und Serbien. Und auch die serbische Seite nicht. Belgrad will jedoch erst über die Probleme in Kroatien reden, wenn das bosnische Problem gelöst ist. Dies abzuwarten ist aber für uns nicht möglich, das kann ja noch lange dauern. Wir schlagen vor, daß Serbien und Kroatien sich gegenseitig anerkennen und die Probleme auf dem Verhandlungswege lösen.

Gibt es Anzeichen, daß es zu einem grundsätzlichen Abkommen zwischen Kroatien und Serbien kommen könnte?

Wenn er ein Treffen in Belgrad organisiert, auf dem über die gegenseitige Anerkennung gesprochen würde, wäre ich bereit, nach Belgrad reisen.

Sie wären bereit, dies auch vor einer eventuellen Anerkennung Kroatiens durch Serbien zu tun?

Ja. Unser wichtigstes Anliegen ist die Normalisierung des Verhältnisses zwischen beiden Staaten.

Was bedeutet eine neue Vereinbarung zwischen Serben und Kroaten für die Aufteilung Bosniens? Die Spannung zwischen bosnischen Kroaten und Muslimen steigt ja wieder an.

Kroatien hat eine klare Politik. Wir wollen die bosniakisch-kroatische Föderation in Bosnien durchsetzen, wir wollen den Plan der Kontaktgruppe verwirklicht sehen. Wir sprechen nicht über eine Teilung Bosniens. Die Föderation, nicht die kroatische Regierung, hat mit den bosnischen Serben zu verhandeln.

Wir sind allerdings nicht mit der Geschwindigkeit einverstanden, mit der sich die bosniakisch-kroatische Föderation entwickelt. Ich denke, für die bosnischen Kroaten und die Muslime ist die Föderation die einzige realistische Option. Die Existenz der Kroaten in Zentralbosnien hängt davon ab. Auch für die Muslime ist die Föderation eine Chance, kein Land in Europa und auch nicht die USA würden einen islamischen Staat in Europa akzeptieren. Trotzdem wollen einige muslimische Führer ganz Bosnien zurückerobern, das ist nicht realistisch.

Sie zögern also, die Bosnier zu unterstützen.

Kroatien und die bosnischen Kroaten haben in die Kämpfe um die Enklave Bihać eingegriffen und die Regierungsarmee dadurch entlastet. Anfänglich war der militärische Kampf gegen die Aggressoren notwendig und richtig, jetzt hat sich die Lage aber verändert. Wir müssen zu einem Arrangement kommen.

Kann dieses Arrangement die Einbeziehung der bosnischen Serben in eine bosnische Föderation bedeuten?

Zuerst einmal glaube ich nicht, daß die Serben in eine solche Föderation wollen.

Eine solche Lösung, eine Föderation aller drei konstituierenden Nationen in Bosnien, wird aber von verschiedenen Seiten vorgeschlagen. Dann gäbe es eine Konföderation zwischen der kroatisch- bosnischen Föderation und Kroatien auf der einen Seite und einer Konföderation der bosnischen Serben mit Serbien auf der anderen, ein drittes Jugoslawien also.

Kroatien ist nicht bereit, in irgendeine Art der Assoziation mit Serbien einzutreten. Wir wollen aber die Normalisierung mit Serbien.

Wollen Sie mit ihrer Forderung, die UNO-Truppen aus Kroatien zurückzuziehen, die Nato ins Spiel bringen?

Was Kroatien betrifft, so werden wir der UNO bei ihrem Rückzug helfen. In Bosnien jedoch ist die Lage anders, dort könnte der Einsatz von Nato-Truppen notwendig werden, falls die UNO sich entschließt, dort den Rückzug anzutreten. Wir wären bereit, den Nato-Truppen logistische Unterstützung zu geben. Interview: Erich Rathfelder