Unerträglicher Vorstoß

■ Der Opel-Betriebsrat Klaus Franz zum DGB-Vorstoß für eine Viertagewoche

taz: Der DGB-Vorsitzende Schulte und der DAG-Vorsitzende Issen haben sich für eine Viertagewoche ohne vollen Lohnausgleich und unter Einbeziehung von Samstagsarbeit ausgesprochen, wenn im Gegenzug neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Stört der Vorstoß die laufenden Tarifverhandlungen der IG Metall?

Klaus Franz: Natürlich werden die aktuellen Verhandlungen dadurch gestört. Das Modell der Viertagewoche wurde innerhalb der Metallindustrie und speziell der Automobilindustrie noch überhaupt nicht ausführlich diskutiert. Auch die Erfahrungen, die bei VW mit der Viertagewoche gemacht wurden, sind innerhalb der IG Metall noch nicht ausgewertet. Deshalb ist der Vorstoß für mich eine nicht erträgliche Einmischung in die laufenden Tarifverhandlungen, weil es hier um die Durchsetzung einer reinen Lohnforderung geht.

Nun ist von Schulte gesagt worden, daß die Viertagewoche nicht bei vollem Lohnausgleich eingeführt werden könne. Sind die ArbeitnehmerInnen überhaupt noch in der Lage, für Freizeit auf Geld zu verzichten?

Es gibt natürlich auch in der Automobilindustrie privilegierte Arbeitsplätze mit privilegierten Einkommen. Wer als Ingenieur bei Opel arbeitet und über ein Einkommen von 6.000 bis 7.000 Mark monatlich verfügen kann, der wird über neue Ansätze zur Verteilung von Arbeit vielleicht anders reden, als ein Arbeitnehmer am Band mit 3.000 Mark brutto im Monat, der eine vierköpfige Familie zu ernähren hat.

Ist die Einführung der Viertagewoche demnach unrealistisch?

Natürlich ist es richtig, darüber nachzudenken, wie die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden kann. Aber das muß unter Berücksichtigung der individuellen Einkommenslage geschehen. Ich wäre dafür, daß wir uns Arbeitszeitmodelle überlegen, mit denen wir Arbeitszeiten an den individuellen Lebensrhythmen ausrichten können. Stichwort: Lebensarbeitszeitkonten.

Das wird bei den Gewerkschaften aber nicht mehr diskutiert.

Das ist leider richtig. Aber vielleicht kommt diese Debatte mit dem Vorstoß wieder in Gang. Fakt ist aber, daß es drei Prozent Wachstum braucht, um nur ein Prozent neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Bei VW hat die Viertagewoche mit bis zu zwölf Prozent Lohneinbußen zu Einsparungen von 1,5 Milliarden Mark geführt. Diese mußten aber an Seat überwiesen werden, um dort das Minus auszugleichen. Kein Beitrag zur langfristigen Arbeitsplatzsicherung oder gar zur Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Interview: K. P. Klingelschmitt