: Den Rest regelt der Wohnungsmarkt
Ab Juli gilt im Osten, also auch in Berlin, das Vergleichsmietensystem samt Mieterhöhung um 20 Prozent / Modernisierungsumlage soll begrenzt werden / Mieter und Eigentümer unzufrieden ■ Von Uwe Rada
Kurz vor ihrem Karriereknick gab sich die ehemalige Bauministerin Irmgard Schwaetzer erstmals mieterfreundlich. Bevor Mitte 1995 in Ostdeutschland das westliche Vergleichsmietensystem eingeführt wird, so die Ex-Ministerin vor den Bundestagswahlen, werde es dort keine neue Mieterhöhung geben.
Irmgard Schwaetzer hat nicht recht behalten. Seit der Konferenz der Länderbauminister Mitte Januar ist klar: keine Aufhebung der staatlich festgelegten Mieten ohne vorherige Mieterhöhung um 20 Prozent. Damit folgt die Bauministerkonferenz unter Vorsitz des Berliner Bausenators Wolfgang Nagel (SPD) unter anderem den Forderungen des Verbandes der Berlin-Brandenburgischen-Wohnungsunternehmen (BBU). Der BBU hatte bereits im vergangenen November unter Hinweis auf die im Juli 1995 beginnende Altschuldentilgung eine deutliche Anhebung der Mieten vor der Einführung der Vergleichsmieten verlangt. Eine Forderung, die von Nagel damals noch als „Unruhestiftung“ bezeichnet wurde.
Glaubt man den Wohnungsunternehmern, so handelt es sich beim derzeit gültigen Mietsystem in den neuen Ländern um die späte Rache der DDR-Wohnungszwangswirtschaft. Nicht der Markt bestimme demnach die Mieten, sondern der Staat. Nach den beiden Grundmietenverordnungen im Oktober 1991 und Dezember 1993 beträgt das durchschnittliche Mietniveau in Ostberlin in jenen Wohnungen, die bislang noch nicht privat modernisiert wurden, derzeit zwischen vier und acht Mark je Quadratmeter kalt. In den Westbezirken hingegen liegt die ortsübliche Vergleichsmiete im Altbau zwischen sechs und zwölf Mark kalt. Der Grund für die Spannbreite liegt im Nebeneinander zwischen immer noch billigem Altbau ohne Mieterwechsel und einer extrem hohen Miete infolge teurer Privatmodernisierungen.
Als sich im Juni 1992 die Länderbauminister im sogenannten „Magdeburger Kompromiß“ auf die Einführung der westlichen Mieterhöhungsregelungen auch im Osten für Mitte 1995 verständigten, war man sich freilich über die Art und Weise dieser letzten „Westanpassung“ noch nicht im klaren. Sollte die bislang günstige Ostmiete als Ausgangsbasis genommen werden oder zuvor ein letztes Mal die Miete staatlich erhöht werden, um so den Eigentümern schneller zum gewünschten Westniveau zu verhelfen? Die einzige Regelung, die es zu beachten galt, stand im Einigungsvertrag. Die Mietentwicklung in der ehemaligen DDR, hieß es dort, solle die Einkommensentwicklung nicht überschreiten.
Mit der jetzt gefundenen Regelung – Einführung des Vergleichsmietensystems nach vorheriger Mieterhöhung „um bis zu 20 Prozent“ – sind freilich noch immer nicht alle Fragen ausgeräumt. Bis zur endgültigen Fassung eines Gesetzentwurfs bleibt weiterhin unklar, unter welchen Bedingungen und in welchem Zeitraum die 20prozentige Mieterhöhung verlangt werden kann. Nach Ansicht der Berliner Bauverwaltung etwa soll bei einer schon jetzt teureren Wohnung weniger aufgeschlagen werden als bei einer bislang preiswerten. Dafür will der Bausenator nun einen Durchschnittswert errechnen lassen. Im Bonner Bauministerium will man dagegen in jedem Fall 20 Prozent zugeschlagen wissen. Details, so hieß es, seien aber noch nicht vereinbart.
Weiterhin strittig ist auch die im Kompromiß der Länderbauminister unter den Verhandlungstisch gefallene Kappungsgrenze bei Neuvermietungen. Sollte hier nicht noch nachgebessert werden, wäre der im Westen bereits währenden Praxis, Wohnungen spekulativ zu entmieten, auch im Osten quasi gesetzgeberische Sanktion erteilt worden.
Entsprechend kritisch begutachtet auch die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus die Regelungen in Sachen Vergleichsmiete. Sowohl die Bündnisgrünen als auch die PDS bestehen nach wie vor auf einer Kappungsgrenze bei Neuvermietungen. Aber auch die Eigentümerverbände sind nicht zufrieden. Sie beklagen vor allem die einzig mieterfreundliche Regelung des Kompromisses. Künftig nämlich darf nach einer mit privaten Mitteln finanzierten Modernisierung die elfprozentige Umlage der Baukosten nur noch bis zu einer Höhe von drei Mark mehr pro Quadratmeter verlangt werden. Nach dem staatlich beschlossenen Mietsprung um 20 Prozent sollen so wenigstens die Auswirkungen von Luxussanierungen sozial ausgebremst werden. In Friedrichshain, so eine Studie, sind nach Privatmodernisierungen Mieten bis zu 16 Mark pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr.
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