■ Die PDS zwischen Reform und Stagnation
: Und im Leninschen Geist ...?

Reformer versus Stalinisten, zwischen diesen Polen wird die Debatte des Parteitages der PDS pendeln. Und diese Diskussion ist nicht „das Absurdeste, was passieren könnte“, wie der Zentrist Uwe-Jens Heuer lamentiert, sondern eine notwendige Diskussion, will die Partei ihre Stagnation überwinden.

Die PDS erstickt an ihrer doktrinären Vergangenheit. Selbst für die Protagonisten Gysi und Bisky ist sie mittlerweile zum Hemmnis geworden, daß sie gerne beiseite räumen würden, wohl wissend, daß auch sie davon nicht lassen können. Innerhalb von fünf Jahren hat die SED-Nachfolgerin Macht angesammelt und Einfluß gewonnen. Und darin liegt ihr Problem. Sie hat sich Gestaltungsräume erkämpft, kann aber nicht gestalten. Ihre Programmatik taugt zur Selbstvergewisserung, aber nicht zur Politik. Sie hat den Hauptfeind im Westen verortet und gemeint, bereits eine Strategie formuliert zu haben, wo sie allenfalls ihr Milieu festigte. Zwei Seiten hat die Barrikade, und die ist für viele PDSler noch immer identisch mit der „Staatsgrenze“. Einheit und Geschlossenheit gelten ihnen als die höherrangigen Güter, Kritik und Klarheit werden zelebriert, wenn es der öffentliche Anschein erfordert.

Und es ist dieser Anschein, der zunächst den verquasten Dogmatismus einer Sahra Wagenknecht zum Problem werden ließ. Eine Stalinistin an Biskys Seite, eine Verfassungsfeindin im Vorstand – im Wahlkampf ein Problem der Kosmetik. Doch die Retusche kratzt am Fundament. Wie sich der Gulag nicht von der Politik Stalins trennen läßt, wie dieser nicht allein eine Entartung des Leninismus ist, wie die Leninschen Positionen als Weiterentwicklung der Marxschen verstanden werden, so wird sich im Laufe der Debatte um Wagenknecht, Schicht um Schicht, die Zahl der davon Betroffenen vergrößern. Ein bißchen Wagenknecht, da hat die zurückgetretene Vorständlerin Karin Dörre recht, sitzt in jedem Kopf. Und weil dem so ist, weil so auch das Verständnis der eigenen Partei ist, macht die Rede von der „Säuberung“ die Runde, seit Gysi und Bisky ihre unvereinbaren Differenzen mit der Dogmatikerin verkündet haben. Die Mehrheit der Parteitagsdelegierten wird den beiden Strategen folgen, in der Erwartung, daß sich mit dem Bauernopfer Wagenknecht die Lage wieder stabilisiert. Doch sind mit dem von Bisky annoncierten Abschied vom Klassenkampf, mit der Debatte um eine Regierungsbeteiligung weitere Friktionen absehbar. Die in der Geschichte der DDR verwurzelte Milieupartei PDS ist erschüttert, doch eine in der politischen Landschaft Deutschlands eindeutig positionierte Programmpartei gleichen Namens ist nicht in Sicht. Dieter Rulff