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Alter Schmerz und neue Trauer

Überlebende des Holocaust gedenken in Jerusalem des 50. Jahrestags der Befreiung aus dem Vernichtungslager von Auschwitz Mahnmal enthüllt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mehr als 3.000 überlebende des Holocaust, die heute in Israel ansässig sind, haben am Sonntag an der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem des 50. Jahrestags der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht. Knessetvorsitzender Professor Schewach Weiss, der zu den vielen inzwischen weißhaarig gewordenen und durch die schweren Erlebnisse ihres Lebens deutlich gezeichneten Menschen in der Kongreßhalle des Hauses der Nation sprach, konnte bei dieser Gelegenheit nicht umhin, auf den ein paar Stunden vorher verübten mörderischen „Dschihad“-Anschlag an einer Straßenkreuzung im Zentrum Israels hinzuweisen (Bericht auf dieser Seite): „Alte Trauer und neuer Schmerz treffen zusammen. Aber der Unterschied zwischen damals in Auschwitz und heute in Israel liegt in der Tatsache, daß wir heute eine große Macht darstellen, die sich wehren kann. Zu verdammen sind – wie damals – die teuflischen, unverbesserlichen Feinde der Menschheit, der Juden und des Friedens.“

Dr. Josef Burg, der Vorsitzende des internationalen Yad-Vashem- Komitees, wies in seiner Rede ebenfalls auf die Schrecken des neuen Anschlags hin, die den Anwesenden bei der Feier noch deutlich in den Gliedern lagen: „Wir haben heute ein Warnzeichen bekommen, das uns darauf aufmerksam macht, daß das Gift, das in Auschwitz wirkte, noch weiter vorhanden ist – in den Beziehungen zwischen Völkern. Aber“, fügte er hinzu, „heute sind wir nicht wie damals, zur Zeit des Holocaust, nur Opfer. Heute sind wir Kämpfer. Und das ist das Großartige, das unserem Gedenken und unserem Lernen aus der Shoah hier und jetzt nach 50 Jahren mehr Sinn und stärkeren Nachdruck verleiht.“

Der israelische Erziehungsminister, Professor Amnon Rubinstein, bemerkte bei der gleichen Gelegenheit, daß wir „heute kaum noch verstehen können, wie es möglich war, daß derlei Verbrechen von einer rechtmäßigen Regierung des 20. Jahrhunderts im Herzen Europas begangen wurden“.

Mehr als 1,5 Millionen Menschen, die große Mehrzahl darunter Juden, sind in diesem größten Vernichtungslager der Nazis ermordet worden, bevor es am 27. Januar 1945 von der sowjetischen Roten Armee befreit wurde.

Manche der Anwesenden trugen ihre Sträflingsuniform und gestreiften Lagerkleider. Die Namen aller anwesenden Überlebenden zusammen mit den ihnen eingebrannten Nummern wurden in ein besonderes Erinnerungsbuch eingetragen.

Einer der Auschwitz-Überlebenden, der 79jährige Mosche Goldberg, ursprünglich aus der polnischen Stadt Lodź, war für den Ablauf der Gedenkfeier verantwortlich. Seine Rettung hatte er einer Kette „glücklicher Zufälle“ zu verdanken: Kurz nach seiner Ankunft in Auschwitz wurde er mit 3.500 anderen Juden zur Zwangsarbeit abkommandiert und dann ins KZ Dachau eingeliefert, wo er bis zum Kriegsende blieb.

Vor der Feier im Haus der Nation wurde im Park der Gedenkstätte Yad Vashem ein Denkmal in Form eines Viehtransportwagens, den die polnische Regierung zur Verfügung gestellt hatte, enthüllt. In solche Viehwagen gepfercht, waren die jüdischen Männer, Frauen und Kinder in die Todeslager transportiert worden.

Der bekannte Architekt Mosche Safdie hat das Denkmal auf eindrucksvolle Weise im Garten von Yad Vashem installiert: der fensterlose Eisenbahnwagen steht auf Schienen, die über einem Abgrund enden. Israels Erziehungsminister Prof. Amnon Rubinstein erklärte bei der Enthüllung des Denkmals: „Das einzige wirkliche Monument für den Holocaust ist der Staat Israel.“

An den Feierlichkeiten nahm Professor Wladyslaw Bartoszewski, der Vorsitzende des internationalen Rats des Auschwitz-Museums, teil. Bartoszewski, der selbst in Auschwitz inhaftiert war, ist gegenwärtig polnischer Botschafter in Wien. Ein anderer von Yad Vashem geladener Gast bei den Jerusalemer Gedenkfeiern war der 82jährige russische General Wassili Petrenko, Befehlshaber der sowjetischen Truppen, die vor 50 Jahren Auschwitz befreiten.

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