Ältere Semester drücken die Schulbank

■ Studium im Alter, bisher noch ein Privileg der Bildungselite

Berlin (taz) – Leben ist Lernen oder Lernen ist Leben – von solch einem Bildungsbegriff wäre manche PädagogIn vermutlich begeistert. Doch etabliert hat er sich in der Bundesrepublik längst noch nicht. Zwar bieten heute über die Hälfte aller Hochschulen Studien für Senioren an, aber das Angebot wird nur von wenigen wahrgenommen. Von den etwa 11.500 Studierenden an der Universität Trier beispielsweise sind insgesamt 276 StudentInnen (2,4 Prozent) 60 Jahre und älter. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik leben heute mehr als 16 Millionen Menschen, die das 60. Lebenjahr überschritten haben, Tendenz steigend.

Angesichts dieses Mißverhältnisses ging die Zentrale Studienberatung der Uni Trier im Sommersemester 1994 der Frage nach, was manche SeniorInnen dennoch dazu bewegt, noch einmal die Schulbank zu drücken. Grundbedingung eines Studiums im Alter – so legt die Befragung der 276 älteren Semester nahe – ist dabei zum einen ein guter Gesundheitszustand, zum anderen ein gefülltes Bankkonto. Neun von zehn älteren Studierenden bezeichneten ihre finanzielle Situation als gut. Gleichzeitig gehört die überwiegende Zahl der Befragten einer bildungserfahrenen Mittel- und Oberschicht an. „Seniorenstudierende gehören meist zur Bildungselite“, lautet denn auch das Fazit der Trierer Untersuchung.

Befragt nach ihrer Motivation gaben mehr als 90 Prozent der StudentInnen an, sie seien sehr daran interessiert, Neues kennenzulernen und auch im Alter noch an der Welt teilzuhaben. Gleichzeitig dient die Uni ihnen als ein Ort, an dem sie Kontakt zu „jungen, aufgeschlossenen Menschen“ finden können, ein Grund für 65 Prozent der Studierenden über sechzig. Im Gegensatz zu leistungsorientierten Jungstudies wollen sich die Oldies im Studium nicht unter Druck setzen lassen. Einen Studienabschluß strebten nur 7,5 Prozent der Befragten an.

Massenveranstaltungen wie in der Betriebswirtschaftslehre oder den Rechtswissenschaften sind bei den älteren Semestern verpönt. Ein gutes Drittel aller Befragten gibt an, daß das Studium ihnen dazu dient, eigene Erfahrungen aufzuarbeiten. Das Fazit der Untersuchung: „Ältere Menschen studieren nicht losgelöst von ihrer spezifischen Lebens- und Berufserfahrung und bereichern so den Unterricht.“ Die Uni also als Ort des generationenübergreifenden Austauschs? Bleibt zu hoffen, daß diese Chance in Zukunft nicht nur der Bildungselite vorbehalten bleibt. Karin Flothmann