EU erteilt Abschiebepolitik ihren Segen

Die Europäische Union hat keine Einwände gegen die Abschiebung von Vietnamesen aus Deutschland / Rücknahmeverpflichtung wird in Kooperationsvertrag aufgenommen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Als es gestern in Brüssel darum ging, die Abmachung der Bundesregierung mit der kommunistischen Führung in Vietnam zur Rücknahme der vietnamesischen Vertragsarbeiter von der Europäischen Union absegnen zu lassen, da waren die Außenminister wieder unter sich. Hinter verschlossenen Türen erzwang Klaus Kinkel, daß die umstrittene Rücknahmeverpflichtung Vietnams nun auch im Kooperationsvertrag zwischen der EU und Vietnam festgeschrieben wird.

Zwei Stunden lang hatten zuvor die fünfzehn Außenminister der Europäischen Union den Fernsehkameras ausnahmsweise Einblick in die Verhandlungen des Ministerrats gewährt. Glückwünsche an die neue Kommission, Vorstellung des längst bekannten Programms der französischen Ratspräsidentschaft für die nächsten fünf Monate, ein paar Nettigkeiten für den scheidenden Kommissionspräsidenten Jacques Delors, das war's. Weiter wollte man die Transparenz nicht treiben. Bundesaußenminister Kinkel wollte keine Zuschauer, als er die EU-Partner drängte, den deutschen Umgang mit der Menschenwürde zum europäischen Prinzip zu erheben.

Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche in bilateralen Verhandlungen mit Hanoi durchgesetzt, daß sich Vietnam bereit erklärt, 40.000 Vietnamesen aus Deutschland auch gegen deren Willen zurückzunehmen. Bislang hatte sich das kommunistische Land dagegen gesperrt, daß die Bundesregierung Vietnamesen in ihr Heimatland abschiebt. Hanoi wollte die widerspenstigen Staatsbürger nicht.

In Brüssel ging es der Bundesregierung nun darum, diese Rücknahmeverpflichtung auch in den Kooperationsvertrag der Europäischen Union mit Vietnam aufzunehmen. Die EU-Länder sollen das deutsche Verhalten mittragen. Ursprünglich forderte die Bundesregierung sogar, die Europäische Union sollte die Rücknahmepflicht als völkerrechtliches Prinzip festschreiben. Das jedoch empfanden nicht nur die anderen EU- Staaten, sondern auch die Europäische Kommission als Zumutung.

Bonn will nun dem europäischen Vertrag mit Vietnam einen Brief beilegen, in dem die Bundesregierung darauf hinweist, daß sie nichtsdestotrotz an ihrer Auffassung vom Völkerrecht festhalte. Es verstoße gegen das Völkerrecht, begründete ein Sprecher des deutschen Außenministeriums in Brüssel diesen Brief, wenn sich ein Land weigere, seine Staatsbürger nach Hause einreisen zu lassen. Daß diese Staatsbürger im Falle der vietnamesischen Vertragsarbeiter gegen ihren Willen in die Heimat abgeschoben werden sollen, spielt nach Auffassung des Bundesaußenministers völkerrechtlich keine Rolle. „Auf die Meinung der Betroffenen“, so erläutert Kinkel, „kommt es nicht an.“

Die Entschlossenheit, mit der die deutsche Regierung in Brüssel Druck machte, führte immerhin dazu, daß die Rücknahmeverpflichtung nun tatsächlich in der Präambel des EU-Vietnam-Kooperationsabkommens stehen wird, allerdings nicht als „völkerrechtliches Prinzip“, sondern nur als „allgemeines Prinzip“. Das Abkommen sieht neben finanziellen Zuschüssen auch Handelserleichterungen für Vietnam vor, so daß Einwände aus Hanoi nicht zu erwarten sind.

Die Auswirkungen der Regelung betreffen auch weniger Vietnam als vielmehr alle anderen Länder, mit denen die EU künftig Abkommen abschließen wird. Hanoi hat sich ohnehin gegenüber Deutschland zur Rücknahme der Flüchtlinge verpflichtet. Aber nun steht in einer, von den sämtlichen Mitgliedern der Europäischen Union unterzeichneten Urkunde, daß die Rücknahme von Flüchtlingen „zum allgemeinen Prinzip“ gehört.