■ Mit Atombombentests auf du und du
: Verseuchte Kinder

Washington (AP/taz) – Vor dem US-Kongreß in Washington finden zur Zeit Anhörungen statt, die Licht in eines der dunkelsten Kapitel des Pentagons bringen sollen. Noch bis in den Juni hinein werden Zeugen und Sachverständige über die medizinischen Folgen der oberirdischen Atomwaffentests berichten, die in den fünfziger Jahren in der Wüste des US-Bundesstaates Nevada durchgeführt worden sind.

Ganze Armee-Einheiten mußten damals zusehen, wie der Atompilz in die Luft stieg. Die Soldaten, die zum Teil schutzlos in Sichtweite der Explosion Stellung beziehen mußten, sollten auf den Ernstfall des Atomangriffs vorbereitet werden – für Amerikaner eine selbstverständliche patriotische Pflicht, so wurde ihnen gesagt. Tatsächlich dienten sie schlicht als Versuchsobjekte, an denen Armeemediziner die bei solchen Übungen unvermeidlichen Strahlenschäden untersuchen wollten.

Bis zu einer Million Soldaten dürften für diesen Zweck mißbraucht worden sein, schätzte am Montag der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Atomveteranen, Oscar Rosen, vor dem Kongreßausschuß. Rosen widerspricht damit den Veröffentlichungen des Pentagons, wonach nur rund 200.000 Soldaten aller Waffengattungen an den insgesamt 235 oberirdischen Atomwaffentests teilgenommen hätten. Dazu kommen nach diesen Angaben noch weitere 200.000 Armeeangehörige, die bei Aufräumarbeiten nach den Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki beschäftigt waren.

Rosen hält diese Zahlen für verharmlosend. Seine Organisation rechnet auch die Soldaten mit, die während der Tests auf U-Booten Dienst taten, dazu alle Personen, die mit der Produktion der Waffen oder der Beseitigung abgestürzter Flugzeuge beschäftigt waren. An den Strahlenfolgen leiden auch noch die Kinder der Betroffenen. Einer von ihnen, Rudy Florentine, sagte vor dem Ausschuß, von 638 Atomveteranen hätten 26 Prozent Kinder mit ernsthaften genetischen Defekten. 26 Prozent dieser Kinder litten an Krebs oder Tumoren, 20 Prozent an Knochenschäden und 9 Prozent an Schädigungen des Herzens.

Das sei nur „die Spitze des Eisbergs“, meint Florentine. Er und Rosen sind außerdem davon überzeugt, daß die Kinder der Versuchsopfer häufig auch geistig behindert sind. nh