Wuchs menschlicher Zellen

■ Das Duo Godflesh opfert trotz hartem Panzer manch metallisches Klischee

So ganz ohne Film geht es wohl nicht. Godflesh, Götterfleisch, ein englisches Duo (ehemals Trio) ist zwar besser als die vielen jugendlich-bösen Metal-Bands, die ihnen die Idee oder den Sound „mechanischer Beat trifft auf Strom-Gitarre“ abkupferten, in ihrer Ästhetik jedoch so lückenlos geschlossen, daß bei aller Begeisterung ein kleines Kopfschütteln verbleibt.

Seit Anbeginn verfolgt Justin Broadrick, der in der zweiten Hälfte der 80er mit Head of David und Napalm Death Pionierarbeit für die Befreiung metallischer Musik aus den Abgründen klischeehafter Posen leistete, mit Godflesh ein eng umrissenes Konzept. Die Cover statisch und kühl. Stets am gleichen Platz ein Godflesh-Schriftzug, darunter Slavestate, Pure oder Self-less. Das sind nicht eben Aufforderungen zum Schwätzchen, eher schon letzte Worte, Destillate. Musikalisch pointiert Broadrick, der seine Formation mittlerweile zum Duo geschrumpft hat, diese Albentitel. Rumpelte auf früheren Maxis und deren Zusammenstellung Slavestate noch ein abgehackter Drumcomputer und die Gitarre klagte im Einklang mit dem Gesang das System an, so badeten sie auf ihrem 78-minütigen Epos Pure in der eigenen Schönheit. Die verwitterte Hand des Covers, eins mit der Erde – Kraft, Ruhe und Ewigkeit. Mittlerweile sind Godflesh bei „Selbstlos“ im wörtlichen Sinne angelangt. Da wird - offensichtlich fasziniert - der Wuchs menschlicher Zellen auf Computerchips dargestellt und was aus den Boxen dringt spottet jeglicher Analogie Hohn. Digitaler die Gitaren nie klingen.

Kurz vor der selbst betitelten Auflösung von Identität reihen Broadrick und Bullen stoisch wuchtige Klänge aneinander. Klänge, die aus den Kellern einer vollständig computerisierten Welt stammen mögen, dort wo sich riesenhafte Kabel aneinander reiben und sich gewaltige Generatoren selbst neu erfinden. Ja, solche oder ähnliche Assoziationen kultivieren Godflesh erfolgreich. Im Gegensatz zu Broadricks früherem Napalm Death-Kollegen Mick Harris, der sich etwas später mit seinem durchaus ästhetisch verwandten Projekt Scorn von der Raserei verabschiedete und mittlerweile vermittels dubbiger Rhythmik zu den Menschen spricht, ist Godfleshs Panzer starrer, die Oberfläche glatter denn je. Faszinierend ist das schon. Aber ein kleines Späßchen hat auch noch niemandem geschadet. Uschi Steiner

30. Januar, Markthalle, 21 Uhr