Im Interesse der Ehe

■ Interview mit Edith Niehues (SPD) zum Gesetzentwurf: Vergewaltigung in der Ehe

Vergewaltigung in der Ehe soll strafbar werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachte die SPD-Fraktion gestern erneut in den Bundestag ein. Der SPD-Entwurf, der in der letzten Legislaturperiode durch Verzögerungen gescheitert war, sieht vor, daß Vergewaltigung nicht mehr nur außerhalb der Ehe bestraft wird. Außerdem soll nicht mehr nur die Drohung mit Gewalt als Kriterium für eine Vergewaltigung gelten, sondern auch „die Ausnutzung einer hilflosen Lage“. Neben dem erzwungenen vaginalen sollen künftig auch der erzwungene orale und anale Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung gelten.

taz: Frau Niehues, Sie sind Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Frauen. In dem gestern eingebrachten SPD-Entwurf heißt es unter anderem: „Das Gericht kann von Strafe absehen, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung ehelicher Bindungen zwischen dem Opfer und dem Täter geboten ist.“ Ist das nicht eine Hintertür?

Edith Niehues: Natürlich ist das eine Hintertür. Die andere Alternative ist, und das schlägt die CDU vor, daß eine Ehefrau auf Antrag ihre Anklage zurücknehmen kann. Das lehnen wir ab. Denn damit besteht die Möglichkeit, daß Druck auf die Ehefrau ausgeübt wird. Wir wollen, daß es ein Offizialdelikt bleibt, dem das Gericht nachgehen muß. Wenn das Gericht dann, zum Beispiel weil die Ehefrau ihrem Mann verzeiht, zu der Einsicht kommt, hier ist noch etwas zu retten, kann es von Strafe absehen.

Aber eine Frau könnte auch deshalb, weil ihr Mann sie unter Druck setzt, vor Gericht sagen: „Ich verzeihe ihm, und wir werden künftig wieder eine harmonische Ehe führen, Herr Richter, bestrafen Sie meinen Mann nicht.“

Richtig, das ist eine Sache der Abwägung. Dann stellt sich die Frage, wie glaubhaft die Angabe der Frau ist. Die Bewertung müssen wir der Einschätzung des Gerichts überlassen. Ist die Vergewaltigung in der Ehe ein Antragsdelikt, könnte die Frau zu Hause einen Brief ans Gericht schreiben, den ihr möglicherweise ihr Mann diktiert, und dann müßte das Gericht das Verfahren einstellen.

Mitte Januar kündigte die Justizministerin an, die Regierung wolle Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen. Dabei deutete sie an, die Trennung zwischen Vergewaltigung und sexueller Nötigung solle aufgehoben werden. Das unterläßt der SPD-Entwurf.

Falls die Regierungskoalition tatsächlich einen eigenen Entwurf vorlegt, könnte man über diesen Punkt sicherlich diskutieren. Natürlich hat Frau Leutheusser- Schnarrenberger recht, wenn sie sagt, sexuelle Nötigung ist ebenso demütigend. Ich persönlich bin jedoch immer noch für die Trennung. Aber wenn wir dadurch eine Mehrheit im deutschen Bundestag zusammenbekommen, dann wäre diese Trennung für mich sicher nicht die letzte Glaubensfrage, für die ich kämpfe.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich denke, daß es noch im Februar zur ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs kommen wird. Und dann muß unsere Justizministerin sehen, wie sie diesmal damit umgehen will. Ob sie erneut auf Verzögerung setzt oder ob sie endlich von einer Ankündigungsministerin zu einer handelnden Ministerin werden will. Interview: Karin Flothmann