Rexrodt und der Tschetschenienkrieg

■ Opposition attackierte Reise des Wirtschaftsministers

Bonn (taz) – Als einen „Affront gegen den Deutschen Bundestag“ kritisierte gestern Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen) die Reise von Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) nach Petersburg. Die Teilnahme an dem deutsch-russischen Kooperationsrat stehe im Widerspruch zur Bundestagsresolution, in der das russische Vorgehen in Tschetschenien einhellig verurteilt worden war, sagte Volmer. Rexrodt habe die Kritik des Bundestags verharmlost. Der Regierung warf Volmer Konzeptionslosigkeit in ihrer Politik gegenüber der russischen Regierung vor. Die richtige Entscheidung zum Verzicht auf Wirtschaftssanktionen dürfe nicht zum „business as usual“ führen, wie es Rexrodt praktiziert habe.

Der SPD-Abgeordnete Eberhard Brecht lobte die Ausladung des russischen Verteidigungsministers durch seinen deutschen Amtskollegen Volker Rühe (CDU). „Ohne es zu wollen, haben Sie die Strategie Gratschows bedient“, warf Brecht dagegen dem Wirtschaftsminister vor.

Nach Meinung Volmers beweisen offizielle Briefe aus dem Auswärtigen Amt, daß Außenminister Klaus Kinkel (FDP) zuviel Verständnis für die russischen Argumente im Krieg gegen die Tschetschenen aufbringt. Vergangene Woche hatte Kinkel im Bundestag ein Schreiben aus seinem Hause als Einzelmeinung eines untergeordneten Beamten abgetan. Das neue Schreiben aus dem AA verteidigt ebenfalls indirekt die Moskauer Kriegführung. Volmer sieht in dem neuen Brief den Beweis, daß es sich bei der Verharmlosung des Krieges um „offizielle Politik des Auswärtigen Amtes handelt“.

Rexrodt verteidigte sein Vorgehen mit dem Hinweis, die Wirtschaftskontakte und sein Verhalten in Petersburg leisteten einen Beitrag zur Stabilisierung und förderten die Politik der Reformen in Rußland. „Wir haben keine Gelegenheit ausgelassen, um der russischen Seite unsere Position deutlich zu machen“, sagte Rexrodt. Die aufgeschlossene Reaktion der russischen Medien und Regierungsvertreter interpretierte Rexrodt als Beweis, daß in Rußland ein „Lernprozeß“ eingesetzt habe, „den ich für irreversibel halte“.

Unterstützung fand Rexrodt auch bei dem CDU-Bundestagsabgeordneten Friedhelm Ost: „Die Reise war richtig, Rexrodt hat sie gut gemeistert“, sagte er. Ost hielt der Opposition vor, mit der Attacke auf Rexrodt widerspreche sie dem von ihr mit getragenen Bundestagsbeschluß von vergangener Woche, wonach der Dialog zwischen Bonn und Moskau auf allen Ebenen fortgesetzt werden müsse. Hans Monath