Mit Rock 'n' Roll ran an die Buletten

■ Mit Kleidung professionell einen anderen Menschen imitieren / Dirk Jüttner, 28 Jahre: Ein Elvis-Interpret auf der Suche nach seinem eigenen Stil

Jeder Star hat seine Doubles. Sie verdienen ihr Geld damit, daß sie Tote möglichst echt auf der Bühne geben oder den Glanz der Hollywood-Stars nach Marzahn bringen. Sie verlieren nicht selten ihre eigene Persönlichkeit und werden zudem noch verhöhnt, wenn sie es nicht schaffen, „echter“ als der oder die Echte zu sein.

Dirk Jüttner tritt beispielsweise als Elvis auf.

taz: Wer sind Sie?

Dirk Jüttner: Ich bin Dirk Jüttner aus Berlin, genauer gesagt aus Britz, und bin 28 Jahre alt.

Aha, also noch keine Identifikation mit Elvis?

Nee, zu der Sorte gehör' ich wirklich nicht. Mit der Schizophrenie hab' ich nichts zu tun. Ich sage auch nicht, daß ich Elvis double – ich singe Lieder von Elvis, tanze so wie er und trage auch die Anzüge der fünfziger Jahre.

Kennen Sie Kollegen, die sich für Elvis halten?

Na klar, davon gibt es jede Menge. Für die gibt's kein anderes Thema mehr, wenn man da mal eine CD auflegt, die nicht vom „King“ ist, dann gähnen die schon. Das sind oft ganz schüchterne Leute oder welche, die selbst keine Persönlichkeit haben. Sie saugen dann die Identität der Vorbilder wie ein Schwamm in sich auf, bis sie selbst was haben. Allerdings fehlt ihnen meistens die Selbsteinschätzung. Sie merken nicht mal, daß sie nicht singen können. Andere lassen sich sogar operieren, um Elvis ähnlicher zu sehen.

Was ist das für ein Gefühl, als Elvis aufzutreten?

Ich fühle mich nicht so sehr als Elvis. Mich reizt der Fünfziger- Jahre-Flair und der Tanzstil, auch die Klamotten von damals sind Klasse. Klar, ich bin Elvis-Fan! Das war ein toller Sänger. Er ist auf der Bühne explodiert, der hat in seinen Anfangsjahren alles gegeben. Aber ich will so schnell wie möglich einen eigenen Stil entwickeln und damit rauskommen. So wie Shakin' Stevens, der sich auch seinen eigenen Namen mit Rock 'n' Roll gemacht hat.

Wie sind Sie dazu gekommen, als Elvis aufzutreten?

Das habe ich seit 16 auf dem Schulhof getan, das kam einfach so. 1988 hab ich dann den ersten Platz der Europameisterschaft der Elvis-Sänger in Bremerhaven gemacht, und seitdem mache ich das beruflich. Aber ich arbeite auch noch halbtags, als Lagerist. Ein sicheres Standbein muß ich ja noch haben – ich könnte mir ja mal den Fuß brechen, und dann ist's aus mit Tanzen.

Wo und wann treten Sie auf?

Na ja, Januar und Februar sind meist etwas trist. Da habe ich meistens private Auftritte, bei Geburtstagen oder Hochzeiten. Das sind dann schon mal drei oder vier an einem Samstagabend, im Sommer kommen dann die Straßenfeste wieder, da gibt's dann mehr Publikum.

Gibt es eigentlich noch einen Dirk Jüttner, der nichts mit Elvis zu tun hat?

Ja, eigentlich schon, aber irgendwie kann man doch nicht mehr ganz abschalten. Früher war ich Landschaftsgärnter und habe mich mal im Naturschutzbund engagiert, mit Fröschen und so. Aber heute...

Wie sieht denn Ihr Urlaub aus?

Urlaub? Nee, das ist nicht drin. Ich muß jetzt ran an die Buletten, Auftritte machen und so. Die Leute vergessen einen ja schnell und die Zeit drängt, da muß ich am Ball bleiben. Das ist knallhart – aber eigentlich vermisse ich nichts. peb