Geschenk „von mir an mich“

Zum Abschluß einer perfekten Saison will Deion Sanders sich und die San Francisco 49ers morgen mit dem fünften Gewinn der Superbowl bescheren  ■ Von Andrea Böhm

Washington (taz) – Kalifornier zu sein, war in den letzten Jahren wirklich kein Zuckerschlecken. Rezession, Erdbeben, O.J. Simpson, Überschwemmungen, Waldbrände, Straßenschlachten, Waldbrände, O.J. Simpson, Überschwemmungen und so weiter. Der Bundesstaat, in dem das Leben angeblich rund um die Uhr easy ist, geriet zum Alptraum für Versicherungskonzerne – und für so manchen Bürger. Also sei es ihnen gegönnt, daß die diesjährige Superbowl, das Superfinale im US- Football zwischen dem Sieger der National Football Conference (NFC) und der American Football Conference (AFC), eine rein kalifornische Angelegenheit ist: Die San Francisco 49ers dürfen gegen die San Diego Chargers ran. Vom Geldregen, den die Austragung eines solchen Ereignisses mit sich bringt, profitiert dieses Jahr allerdings nicht Kalifornien, sondern Florida. Spielort ist das Joe Robbie Stadion in Miami, wo sich seit Tagen Tausende von Fans unter die Wintertouristen mischen. Dazu kommen nicht weniger als 1.500 Journalisten, die von der Stadt und privaten Sponsoren mit Bootsausflügen, opulenten Dinnerparties, Zigarrenkisten und Gutscheinen für Massagen verwöhnt werden.

Selbst all das stimmt die nichtkalifornische Journaille allerdings nicht milde genug, den Kaliforniern die Genugtuung über das kalifornische Finale lassen zu können. Das Spiel am morgigen Sonntag könne eigentlich nur langweilig werden, wird geunkt, das wahre Finale habe längst, nämlich vor zwei Wochen stattgefunden. Da riß San Francisco im Endspiel der NFC den Oberrivalen und Titelverteidiger Dallas Cowboys mit einem 38:28-Sieg unsanft aus deren Traum vom dritten Superbowl- Gewinn in Folge. War Dallas ein gleichwertiger Gegner, so habe AFC-Gewinner San Diego, so heißt es übereinstimmend, bestenfalls Statistenformat und in einem Superbowl-Finale eigentlich nichts verloren.

Das Team aus San Diego sieht das natürlich anders. Eben weil es nichts zu verlieren hat, ist man bestens gelaunt und frei von jeglichem Druck. Mit dieser Einstellung haben die Spieler um Quarterback Stanley Humphries, Tailback Natrone Means (110 Kilogramm Lebendgewicht) und Linebacker Junior Seau, der 112 Kilogramm auf die Waage und des öfteren auf seine Gegner wuchtet, bereits zwei Überraschungen vollbracht: Einen 22:21-Sieg gegen die hochfavorisierten Miami Dolphins in der Play-off-Runde und einen 17:13-Sieg gegen die hochfavorisierten Steelers aus Pittsburgh im AFC-Finale. Zweimal wunderte sich Amerika, warum also nun nicht noch ein richtiges, ein großes Wunder gegen die hochfavorisierten 49ers? Die Frage ist allerdings, zugegebenermaßen, eher: warum eigentlich?

Charger-Starverteidiger Junior Seau leidet im übrigen derzeit unter einem eingeklemmten Nerv, der zeitweise seinen linken Arm taub werden läßt. Spielen will und wird er auf jeden Fall, was man, je nach Standpunkt, für verrückt oder heroisch halten kann. Die 49ers plagen solche Probleme nicht. Mit Steve Young, der unlängst zum „Most Valuable Player“ (MVP) gewählt wurde und angeblich mal wieder endgültig den Schatten seines Vorgängers Joe Montana abgeschüttelt hat, haben sie den zweifellos besseren Quarterback auf dem Feld. San Franciscos Wide Receiver John Taylor und Jerry Rice (Für Football-Laien: Das sind Spieler, die losrennen, um das Ei zu fangen und in der Endzone des Gegners mit möglichst martialischer Geste auf den Boden zu knallen) sind nicht nur fit, sondern gelten derzeit als unaufhaltsam. Und auch die Verteidigung der 49ers steht in diesem Jahr. Das mußten die Chargers bereits im Dezember zur Kenntnis nehmen, als sie während der regulären Runde klar mit 15:38 verloren (Für Football-Laien: Das entspricht umgerechnet etwa einer 2:5-Niederlage im Fußball).

Außerdem hat San Francisco derzeit den unumstrittenen amerikanischen Sport-Superstar unter Vertrag: Cornerback Deion Sanders (Für Football-Laien: Das sind Verteidiger, die den gegnerischen Flitzer samt Ei umreißen oder das Ei abfangen). Sanders besitzt ein großes Mundwerk, ein ebenso großes Ego und ein schier unerschöpfliches sportliches Talent, was die beiden erstgenannten Eigenschaften wiederum zu Marketing-Qualitäten macht. Nach Ende der Football-Saison wechselt er regelmäßig in die Baseballiga über, wo er mit den Atlanta Braves den Einzug ins Finale, die World Series, schaffte. Da sich die Spieler mit dem kleinen Ball, den großen Handschuhen und dem Holzprügel derzeit jedoch aller präsidentaler Mahnungen zum Trotz weiter in einem unbefristeten Streik befinden, dürfte Sanders nach dem Gewinn des Superbowl, den er natürlich für eine reine Formsache hält, genügend Zeit für andere Hobbies haben: Rap-Platten produzieren sowie seine legendäre Schmuckkollektion und seine Autos ausführen. Für den Aufenthalt in Miami, so teilte er rund 1.000 Journalisten am Dienstag beim Pressetag im Joe Robbie Stadion mit, habe er sich einen Lamborghini gekauft – samt Glückwunschkarte mit der Inschrift: „von mir an mich“. Ab und an schenke er sich halt was Schönes.

Sein Team wünscht sich von seinem Superstar, der sich in aller Bescheidenheit den Künstlernamen „Prime Time“ gegeben hat, am Sonntag möglichst viele Interceptions (Für Football-Laien: Das Ei landet in den Händen eines Spielers der gegnerischen Mannschaft). Dank seiner Sprintstärke wandelt Sanders diese oft in einen Touchdown um. Nach vollbrachter Arbeit kommt es dann zum eigentlichen Höhepunkt: „Prime Time“ führt in der gegnerischen Endzone einen einstudierten Tanz auf. „Die Fans zahlen schließlich 250 Dollar für ihr Ticket. Da möchte ich ihnen was bieten, das ihnen im Gedächtnis bleibt.“ Wenn es nach ihm ginge, könnte die Ein-Mann-Prime-Time-Show auch während der Pause weitergehen. „Ich hab' ihnen vorgeschlagen“, sagt Deion Sanders in gewohnter Bescheidenheit, „sie sollen mein Rap-Album spielen.“