■ Ökolumne
: Endlager jetzt! Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wir sind dagegen. Gegen die Atomkraft und dagegen, daß der Castor nach Gorleben kommt, weil wir weder der Bundesregierung noch der Atom- und Plutoniumwirtschaft glauben, daß das Zwischenlager in Gorleben tatsächlich nur ein Zwischenlager ist und kein Endlager. Wir, die Gegnerinnen und Gegner der Atomkraft, wollen aber auch nicht, daß in Hanau (oder anderswo) Plutonium mit Uran gemischt und zu sogenannten MOX (Mischoxid)- Elementen verarbeitet wird. Und wir wollen schon gar nicht, daß die Atomkraftwerke weiter am Netz bleiben. Wir wollen, daß sie sofort (oder wenigstens bald) abgeschaltet und danach verschrottet werden.

Gut so. Nur müssen wir noch mehr wollen. Solange das Atomgesetz als einzig zulässigen „Entsorgungsweg“ die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente vorschrieb und noch immer eine Rücknahmeverpflichtung für das dabei anfallende Plutonium besteht, war (und ist) der politische wie der juristische Kampf gegen die MOX-Produktion mehr als berechtigt. MOX erlaubte es der Atomwirtschaft und der Bundesregierung, temporär die Legende vom sogenannten Brennstoffkreislauf aufrechtzuerhalten. Daß dieser Weg eine ökonomische Sackgasse ist, weiß man in den Vorstandsetagen der Branche schon lange. Jedes Brennelement aus Uran und Plutonium aus der Wiederaufarbeitung ist um ein vielfaches teurer, als die Neufertigung eines Brennstabes aus Natururan.

Aber ökonomische Überlegungen treiben uns nur am Rande um. Wir halten die Wiederaufarbeitung für lebensgefährliches Teufelswerk. Und weil wir den Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft wollen, müssen wir endlich anfangen, ernsthaft über ein Endlager nachzudenken. Daß wir lieber gegen alle Flaggen segeln, erleichtert es der Gegenseite, die Endlagerdebatte so zu strukturieren und zu verschleppen, daß der Ausstieg aus der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomenergie bei den Konsensgesprächen kein Thema werden wird. Nur wenn wir uns einmischen und eine Verknüpfung der Endlager- mit der Ausstiegsdebatte fordern, machen neue Energiekonsensgespräche einen Sinn. Gefordert sind Sozialdemokraten und Bündnisgrüne in Bonn. Gefordert ist aber auch die Anti- Atom-Bewegung, die in Gorleben wieder lebendig ist. Denn das steht todsicher fest: Ohne Endlager kein Ausstieg aus der Atomenergie.

Die etwa von Greenpeace vertretene und von der Bewegung stillschweigend mitgetragene Auffassung, wonach über ein Endlager erst nach (!) einem politischen Beschluß über den Ausstieg aus der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomenergie (laut) nachgedacht werden dürfe, könnte – bei böswilliger Interpretation – als Denkverbot bezeichnet werden. Oder handelt es sich um eine Strategie der Experten auf unserer Seite, die so absolut ratlos sind, daß sie eine Debatte vermeiden wollen, die sehr wahrscheinlich unappetitlich nach dem sogenannten Prinzip von St.-Florian geführt werden würde?

Gorleben soll, kann und darf nicht das deutsche Endlager werden. Auch der Schacht Konrad steht dafür nicht zur Verfügung. Und die der Atomindustrie angeblich von devisenhungrigen Administrationen im wilden Osten (Rußland, Ukraine) angebotenen Arreale sind – nach dem GAU von Tschernobyl und in Erwartung der kommenden politischen und ökologischen Katastrophen – gleichfalls inakzeptabel. Aber wie wäre es mit einem Indianerreservat in den USA oder in Kanada? Nein, danke? Der Wüste Gobi? Sibirien? Dem Mond?

Die öffentliche Debatte über einen ernsthaft in Frage kommenden Standort für ein Endlager ist überfällig. Wer sie heute nicht führen will, arbeitet der Atom- und Plutoniumindustrie in die Hände, die mit Plänen für immer neue, aber garantiert nicht zu realisierenden Standorte nur ein Ziel verfolgt: Den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke auf der Entsorgungsbasis „Zwischenlagerung“. Oder eben doch auf Grundlage der MOX-Fertigung, für die demnächst mit dem dezenten Hinweis darauf, daß es „leider“ kein Endlager gibt, sogar Steuergelder lockergemacht werden können. Die Atom- und Plutoniumindustrie glaubt, die Frage nach einem Standort für ein Endlager erst in einigen hundert Jahren beantworten zu müssen. So lange sollten wir nicht warten.