Experimente mit embryonalem Hirngewebe

■ Umstrittene Therapie für Parkinson-Kranke soll erstmals in Hannover an Ratten getestet werden / Nur handverlesene Teilnehmer bei Symposium zugelassen

Berlin (taz) – Mediziner aus Hannover und München wollen erstmals in der Bundesrepublik mit embryonalem Hirngewebe experimentieren. Die Zellen, die aus abgetriebenen Föten gewonnen werden, sollen in einer ersten Versuchsreihe in das Gehirn von Ratten übertragen werden. Diese Experimente sollen dann später bei Parkinson-Patienten fortgesetzt werden. Bei den Versuchen kooperiert die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) mit dem Klinikum Großhadern in München.

Daß damit ein neues, umstrittenes Kapitel der Medizinforschung in der Bundesrepublik aufgeschlagen wird, ist den Forschern aus der MHH-Arbeitsgruppe des Neurochirurgen Guido Nikkhah bewußt. Die Lösung zu den umstrittenen ethischen Fragen soll ein Symposium bringen, zu dem der Neurochirurg für heute Chirurgen, Medizinjuristen, Ethiker und einige handverlesene Pressevertreter nach Hannover geladen hat.

Das Symposium diene dazu, eine „interdisziplinäre Diskussion“ anzuregen, heißt es in der Ankündigung. Verschwiegen wird jedoch, daß die Ethikkommission an der MHH, der die Arbeitsgruppe von Nikkhah bereits vor Monaten einen entsprechenden Projektantrag vorlegte, eine positive Begutachtung bisher verweigert hat. Begründung: die ethischen Fragen seien noch nicht geklärt. Deshalb soll auch auf dem Symposium eine „Richtlinie für die geplanten Projekte in Deutschland“ vorgeschlagen werden, die dann in die endgültige Entscheidung der Ethikkommission mit eingeht.

Für das Feministische Frauengesundheits Zentrum (FFGZ) in Berlin wird „das Symposium zum Präzedenzfall für den geplanten Einstieg in die Fötalgewebe- Transplantation“. So seien dort nur jene zugelassen, die sich in der Vergangenheit mehrfach als „Argumentationslieferanten für das Verfügbarmachen von Menschen für Medizintechnologie angeboten“ hätten, heißt es in einem Aufruf des FFGZ.

Zahlreiche Journalisten, die sich darum bemüht hatten, an dem Symposium teilnehmen zu dürfen, war die Zulassung verweigert worden. Auf Anfragen – auch der taz – hieß es von Nikkhah: „Wir haben keinen Platz mehr.“ Daß es ihm jedoch tatsächlich darum geht, nur ausgesuchte Pressevertreter dabei zu haben, zeigen die Erfahrungen, die einige der Abgewiesenen machen mußten. Von einem Journalisten begutachtete Nikkhah sogar erst eine Arbeitsprobe, bevor er ihm eine Absage erteilte. Bei der Autorin Ingrid Schneider wurde Nikkhah deutlicher: Ihr wurde mitgeteilt, so berichtet die Hamburgerin, daß sie in zwei Artikeln „zu kritisch“ berichtet hätte. Die Beiträge wurden in dem Gremium an der MHH, das über die Teilnahme entschied, herumgereicht. Inzwischen war von Nikkhah auch schon zu hören, daß die eingeladenen Journalisten nicht als „Sprachrohr der Öffentlichkeit“ ausgesucht wurden, sondern als kompetente Diskussionsteilnehmer, die den „Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit“ mit einbringen sollen. Von ihrer Sonderrolle ist den Eingeladenen jedoch bisher nichts mitgeteilt worden. Und ob sie die dort geplante Richtlinie für die Hirngewebstransplantationen mittragen werden, ist zu bezweifeln. Wolfgang Löhr