Lenin-Räuber im Köpenicker Forst

■ Politische Fans oder Trophäenjäger haben erfolglos versucht, das im Wald vergrabene Lenin-Denkmal zu klauen

Auch tote rote Riesen haben Liebhaber. Politisch linke Nekrophile oder abenteuersüchtige Trophäenjäger haben Anfang dieses Jahres versucht, Teile der 1992 im Köpenicker Forst vergrabenen Leninplastik freizulegen und zu rauben. In der Nähe des zentnerschweren Kopfes, der ebenso wie die anderen Granitblöcke des 19-Meter-Kolosses unter märkischem Sand ruht, seien „Grabungsspuren“ festgestellt worden, bestätigte erst jetzt Lutz Wittich, Referatsleiter beim zuständigen Landesforstamt.

Die Grabräuber, so Wittich, hätten ein „trichterförmiges tiefes“ Loch in den Sandberg gegraben, „es aber nicht geschafft“, bis zu den in zwei Meter Tiefe versteckten Granitblöcken durchzudringen. Nach Angaben Wittichs wurde das Loch vom Forstamt wieder zugeschüttet. Diese „erfolglose größere Attacke“ sei eine Bestätigung, daß die zerstückelte monumentale Figur richtig, sicher und tief genug liege.

Auch Bernhard Keimer, Planer bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bestätigte, daß nach dem zugedeckten Lenin „wohl gebuddelt“ worden sei. Immerhin seien keine Anzeichen gefunden worden, daß es gelungen wäre, die Granitblöcke „zu heben“. Nach wie vor liege das zerstückelte Monumentalmannsbild „todsicher“ unter der Erde. Der in der Öffentlichkeit geheimgehaltene Ort in der Sandgrube sei zudem eingezäunt. Dennoch räumte Keimer ein, daß es keine Garantie gegen Vandalismus gebe. „Jede Sicherung ist relativ.“ Das Forstamt sei beauftragt, von Zeit zu Zeit das Sandgrab zu überprüfen.

Wie der taz berichtet wurde, gab es in der Vergangenheit bereits mehrere Versuche, den Koloß auszugraben. Sogar die Erben des sowjetischen Bildhauers Nicolai Tomski, der den roten Riesen 1970, zum 100. Geburtstag Lenins, aus rotem kubanischem Granit schuf, hatten bei der Senatsverwaltung angefragt, ob das Monument sicher versteckt sei.

Der Lenin stand bis Ende 1991 als Sinnbild der „unerschütterlichen Festigkeit deutsch-sowjetischer Freundschaft“ auf dem gleichnamigen Platz in Friedrichshain auf dem Sockel. Nach dem Fall der Mauer strich Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer den versteinerten Gründer der Sowjetunion von der Denkmalliste. Mit Ankettungen, Aufmärschen und Besteigungen versuchten Lenin-Fans bis zuletzt den Giganten zu retten; auch aus kunsthistorischen Gründen, verkörperte er (wie die Thälmann-Figur) doch ästhetisch schon die versteinerte Phase des realen Sozialismus. Als das Bezirksamt Friedrichshain für den Abriß stimmte, begann man im November 1991 mit der Zersägung. Der Lenin stemmte sich sozusagen mit Granithärte gegen den Abriß – es dauerte zwei Monate, bis der Kopf fiel. Dann vergrub man ihn im Köpenicker Forst. Dort wartet er, wenn er nicht geklaut wird, auf bessere Zeiten. Rolf Lautenschläger