Irische Steckdosen sind dreipolig Von Ralf Sotscheck

Mein Freund Aribert ist ein geduldiger Mensch. Vor neunzehn Jahren kaufte er an der irischen Westküste ein kleines Grundstück, um ein Haus darauf zu bauen. Immer wenn er etwas Geld übrig hatte, ging es mit dem Bau ein Stück voran. Jetzt war er endlich bezugsfertig – es fehlte nur noch der Stromanschluß. Das war problematischer als erwartet. Aribert hatte eine siebzig Meter lange Rohrleitung für den Hauptanschluß unterirdisch verlegt und die Leitungen samt deutscher Steckdosen selbst installiert. Das war ein Fehler. Der Inspektor vom Verein irischer Elektriker rächte sich dafür, daß keiner seiner Kollegen zu Rate gezogen worden war.

Die Inspektionsgebühr war im voraus zu entrichten – und zwar weder per Überweisung noch bar oder mit Scheck, sondern mit einer beglaubigten Bankanweisung. Hatte man Angst, daß sich Aribert nach erfolgter Inspektion samt Haus aus dem Staub machen könnte? Nach drei Wochen tauchte jedenfalls ein etwa 50jähriger Mann auf. Es gebe neue Richtlinien, verkündete der Inspektor stolz und begann, im Haus herumzustöbern. Die Badewanne sei nicht geerdet, monierte er sogleich und ließ sich auch nicht durch den Einwand beirren, daß es sich um eine Plastikwanne handele. Die warmen und kalten Wasserleitungen müßten einzeln geerdet werden, befahl Mr. 240 Volt, und vor dem Haus gehöre ein langer Stab für die Erdung in den Boden gerammt, und die Steckdosen seien nicht mit 16, sondern mit 20 Ampere abzusichern. Man solle ihn anrufen, wenn seine Befehle ordnungsgemäß ausgeführt seien – nach Entrichtung der erneut fälligen Inspektionsgebühr. Nach einem halben Jahr war es soweit, doch der Inspektor war noch immer nicht zufrieden: Der in den Boden gerammte Erdungsstab war lang und dünn statt kurz und dick. Und warum seien die Steckdosen mit 20 statt mit 16 Ampere abgesichert? Einen Augenblick erwog Aribert, den kurzen, dicken Inspektor neben dem langen, dünnen Stab in den Boden zu rammen, entschloß sich dann jedoch zur Kooperation.

Alles ging gut, bis man zu den Steckdosen kam. „Irische Steckdosen sind dreipolig“, sagte der Inspektor, „zweipolige Dosen haben keinen Schutzkontakt.“ Haben sie doch, behauptete Aribert und sezierte eine Steckdose. Der Inspektor sah das ein, aber Ariberts Erleichterung währte nur kurz. „Woher weiß man denn bei zweipoligen Steckdosen“, so fragte der Schrecken aller Hobbyelektriker, „auf welcher Seite das Pluskabel liegt?“ Elektrogeräte seien so gebaut, daß das keine Rolle spiele, stöhnte der vor Wut schwitzende Hausbesitzer.

Es half freilich nichts. „Das darf nicht sein“, lautete des Inspektors Urteil. Aribert mußte sämtliche Steckdosen aufschrauben und mit einem Filzer auf der Steckdose die rechte Seite markieren, auf der das Pluskabel lag. Befand es sich links, mußte die Dose ausgebaut und umgedreht werden. Das dauerte vier Stunden. Danach rückte der Herr der Kabel schließlich die begehrte Bescheinigung heraus. In der Fußnote vermerkte er, daß er für die Steckdosen keinerlei Verantwortung übernehme.

Wenn Aribert demnächst vergeblich eine Hausversicherung beantragt, wird er dem Strominspektor vielleicht doch noch den Hals umdrehen.