■ Wollen Biedenkopf und Stoiber „Das Erste“ abschaffen?
: Folter und ein Tauschgeschäft

Hätten Stoiber und Biedenkopf nur wieder das alte Lied gesungen, das von den kleinen, allein nicht lebensfähigen ARD-Anstalten und das von der drohenden Erhöhung der Rundfunkgebühren, die verhindert werden muß – niemand hätte gestern in der taz- Redaktion nach einem Kommentar gerufen. Erst die Bemerkung der beiden Ministerpräsidenten, notfalls könne man ja das erste Programm abschaffen, ließ den Adrenalin-Spiegel der KollegInnen ansteigen, für die das Anschauen von „Tagesthemen“, „Monitor“ und „Panorama“ schließlich zu den Dienstpflichten gehört.

Nein, hier wird laut getrommelt, damit überhaupt jemand zuhört. Biedenkopf wäre doch der vorletzte, der das erste Programm wirklich abschaffen will (auch wenn seine Sachsen noch weniger ARD und viel mehr RTL gucken als die Bayern). Schließlich garantiert die hyperföderale Struktur der ARD gerade den neuen Ländern mehr Einfluß als das rheinisch geprägte ZDF. In Wirklichkeit bauen Stoiber und Biedenkopf gerade ihr Drohpotential gegenüber den SPD-Ministerpräsidenten auf. Wenn es mit weniger Anstalten nicht klappe, so hatte schon vor zwei Monaten Biedenkopfs Regierungssprecher Michael Sagurna gesagt, „dann gibt es immer noch das Folterinstrument, das der Herr Stoiber vorgezeigt hat“.

Das Damoklesschwert „Abschaffung der ARD“ wollen sie vor allem über die SPD-Ministerpäsidenten in Bremen und Saarbrücken hängen, die sich hartnäckig gegen eine Eingemeindung ihrer kleinen Landessender sträuben. (Bei SFB und ORB ist man sich im Prinzip über eine Fusion einig, dort geht das Hickhack nur noch ums Wie.) Ansonsten bleibt der Union die Gebührenfolter, denn die Landtage müssen jeder Erhöhung der Rundfunkgebühren zustimmen. Tun sie das nicht, bleibt alles beim alten, ARD und ZDF in der Finanzkrise.

Doch hinter der Leinwand der Schattenboxer wird bereits ein Tauschgeschaft angepeilt: Im künftigen Rundfunkstaatsvertrag müssen nämlich nicht nur die künftigen Gebühren festgelegt werden, sondern auch die Überwachung der Privatsender. Die CDU/CSU hat sich festgelegt, sie will die Konzentrationskontrolle mit einem „Marktanteilsmodell“. Dann dürfte die Familie Kirch so viele Sender betreiben, wie sie will – bis hin zu 33 Prozent Zuschaueranteil, vielleicht darüber hinaus. Um das bei allen SPD-Ländern durchzusetzen, bietet sich ein Handel an: Die Union gewährt den Öffentlich-Rechtlichen die gewünschte Erhöhung der Rundfunkgebühren und verzichtet auf die Zwangsfusion von Sendern – dafür lassen die SPD-Ministerpräsidenten Kirch und die anderen Privatveranstalter in Ruhe. Noch gibt es in der SPD Widerstand dagegen. Nur ist der viel leiser als die Paukenschläge aus Dresden und München. Michael Rediske