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Die geheimen Nazi-Depots von Wien

■ Der Staat Österreich hält immer noch geraubte Kunstwerke versteckt

Wien (taz) – Eine unangenehme Angelegenheit plagt derzeit Sektionschef Kurt Haslinger im österreichischen Finanzministerium. Es gilt, rund 7.500 Kunstwerke zu verkaufen, die sich seit 1948 in der Obhut des Staates befinden – Bilder von Waldmüller und Lenbach, Makart und Friedrich, Briefe von Rudolf II. und Leopold I., wertvolle Möbel, Münzen und Manuskripte. 34 engbedruckte Seiten umfaßt die Liste, die der taz vorliegt. Der Wert der Kunstwerke wird auf 50 Millionen Schilling geschätzt – rund sieben Millionen Mark. Das Problem: Dem Staat gehören diese Schätze nicht. Das Konvolut war in der Hitler-Ära seinen rechtmäßigen Besitzern genommen worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Alliierten der Regierung Österreichs eine Auflage: Innerhalb von 18 Monaten sollten die Besitzer gefunden oder die Werke versteigert werden – zugunsten der Überlebenden des Holocaust. Die 18 Monate sind nun schon 47 Jahre her. Erst 1969 verabschiedete der Wiener Bundestag ein tatsächlich so bezeichnetes „Kunst- und Kulturbereinigungsgesetz“, das eine immer wieder verlängerte Frist bis 1972 enthielt.

Nur eine kleine halboffizielle Wiener Zeitung veröffentlichte im Auftrag der Regierung die Liste der 8.000 Objekte, deren Besitzer sich melden sollten. Nur 71 Objekte wurden zurückgegeben, denn die meisten Sammler waren in den Konzentrationslagern ermordet worden. Der Rest ihrer Sammlungen wanderte in Sonderdepots, so nach Informationen der taz unter anderem in die Österreichische Galerie, die Albertina und ins Kloster Mauerbach bei Wien. Erst 1985 erinnerten sich die zuständigen Kulturpolitiker wieder und legten erneut eine Frist von diesmal neun Monaten fest, in denen mögliche Besitzer ihre Ansprüche anmelden sollten. 190 Sammler erhielten diesmal 350 Einzelstücke zurück, mehr als 7.500 blieben weiter in den Depots.

Warum jetzt plötzlich jene Auktion stattfinden soll, die die Alliierten schon für unmittelbar nach dem Krieg vorgeschrieben hatten, mag in Wien niemand so recht erklären. Die geplante Auktion ist nämlich in Österreich nicht unumstritten. Befürwortet wird sie vom Präsidenten der jüdischen Kultusgemeinde in Wien, Paul Grosz. Gemeinsam mit dem jüdischen Weltkongreß hatte auch seine Organisation immer wieder bei der österreichischen Regierung nachgefragt, was mit dem einst jüdischen Kunstbesitz geschehe. Man solle nun ein großes internationales Auktionshaus mit der Versteigerung beauftragen, so Grosz gegenüber der taz, damit ein möglichst hoher Betrag für die NS-Opfer zusammenkommt. Andere jüdische Organisationen fordern statt dessen die Einrichtung eines Museums als Ort der Erinnerung für diese Werke. Von einem „äußerst sensiblen Thema“ spricht Sektionschef Kurt Haslinger im Wiener Finanzministerium. Bislang stehe nur fest, daß die Auktion in diesem Jahr stattfinden solle, sagt er – wann und wie sei aber noch nicht geklärt.

Das Thema betrifft nicht Österreich allein. So hängt im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum ein Hauptwerk von Ferdinand Georg Waldmüller, als dessen Herkunft im Katalog nur lapidar vermerkt ist: „Bis 1938 Sammlung Dr. Max Strauss, Wien. Danach Reichsbesitz. Seit Oktober 1968 Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland“. Auch dieses von den Nazis gestohlene Werk wurde nie zurückgegeben, und Wuppertal ist kein Einzelfall. Stefan Koldehoff

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