■ Mit Keksproduzenten auf du und du
: Rußland hilft

Berlin (taz) – In Deutschland ist das Geschäft mit Süßigkeiten wahrlich kein Zuckerschlecken. Auf dem Inlandsmarkt sind Wachstumsraten nicht mehr zu erzielen: Die Deutschen sind satt. Mehr als zwanzig Kilo Schokolade, Keks und Zuckerzeugs pro Jahr, das geben auch die Hersteller zu, gehen in den Durchschnittsmenschen einfach nicht hinein.

Daß der Inlandsmarkt die Grenze des Wachstums erreicht hat, haben die Produzenten erstaunlich gut verdaut. Anläßlich der 25. Internationalen Süßwarenmesse in Köln beschwerte sich niemand der 1.265 Aussteller aus 57 Ländern über den schwierigen westeuropäischen Markt. Denn im Osten versüßen satte Zuwachsraten das Exportgeschäft der Deutschen, das allein im ersten Halbjahr 1994 um 27 Prozent auf 1,6 Mrd. DM zulegte.

Vor allem die Russen, denen zur Gorbatschow-Zeit außer Wodka auch der Zucker entzogen war, kauften Süßigkeiten lastwagenweise ein. Die Hälfte der deutschen Exporte ging an Rußland. Dabei machte es die deutsche Seite ihren Kunden nicht gerade einfach; sie lieferte nur gegen Vorkasse.

Schwieriger geworden ist es allerdings für die Süßwarenhersteller, tatsächlich ein Geschäft zu machen. Während sie ihre Produktion um sechs Prozent auf drei Millionen Tonnen steigerten, die fast gänzlich exportiert wurden, legte der Umsatz nur um zwei Prozent auf 20 Mrd. DM zu. Bitter registriert die mittelständische Branche, daß die verfügbaren Einkommen der deutschen Verbraucher gesunken sind. Eine wachsende Vorliebe für Süßwaren in den unteren Preislagen registrieren daher die Hersteller als Trend. Nur ab und an darf es auch mal teurer sein. Dann greifen die Kunden gleich zum Feinsten, ins sogenannte Premium-Segment. Die mittleren Preislagen bröseln derweil wie zu lange gelagerte Dauerbackwaren.

Höhere Preise durchzusetzen traut sich in dieser Lage kein Keks- oder Schokoproduzent zu, zumal die mittelständischen Produzenten untereinander in hartem Wettbewerb stehen. So verspricht der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie notgedrungen stabile Preise, auch wenn viele Rohstoffe teurer geworden seien. Schon heute ist das Zuckerschlecken in Deutschland so billig wie nirgendwo sonst auf der Welt. Donata Riedel