Sonntag ohne Tifosi

■ Fußballfan in Italien ermordet

Rom (taz) – Tränen, Trauer, Trostlosigkeit: Italiens Fußballfreunde („Tifosi“), an sich seit Jahren Schlimmes und auch Tote gewohnt, scheinen diesmal ernstlich betroffen. Nach der Ermordung eines 24jährigen Genua-Fans kurz vor dem Match gegen den AC Milan (und der Festnahme des 18jährigen Täters aus Mailand) wurde nicht nur das Punktespiel bei Beginn der zweiten Halbzeit abgebrochen – Italiens Sportvereinigungen haben mittlerweile auch für den kommenden Sonntag sämtliche Veranstaltungen abgesagt. Ausgenommen sind lediglich zwei mehrtägige internationale Wettkämpfe (Springreiten und Tennis-Davis-Cup).

Die auch innerhalb des nationalen Sportverbandes nicht unumstrittene Entscheidung wird von den Ordnungskräften mit gemischten Gefühlen hingenommen. Innenminister wie Polizeipräsidien haben bereits Einsatzpläne aktiviert, wie sie sonst nur vor Massendemonstrationen üblich sind: „Der Aggressionsstau, der sonst in und vor den Stadien abgeladen wird und trotz der zunehmenden Heftigkeit dort doch noch einigermaßen kontrollierbar ist, wird sich an anderen, unvorhergesehenen Plätzen entladen“, so ein Mitglied des Ausschusses für Innere Sicherheit im Parlament.

Geradezu rituell steht der männliche Teil der Nation am Sonntag nachmittag stramm in Bars vor dem Fernsehschirm oder auch anderswo, mit dem Transistorradio am Ohr, und lauscht den Live-Konferenzschaltungen. Und die wenigen, die nicht zum närrischen Volk der Tifosi gehören, zieht es zumindest zu anderen Sportveranstaltungen (Basket- und Volleyball insbesondere), wo man sich so recht schön auf- und abregen kann.

So neu, wie es die Medien Italiens derzeit darstellen, ist eine Aussetzung des Zuschauvergnügens für Sportfans auch wieder nicht. Schon im alten Rom und später im Mittelalter mußten die Behörden zeitweise die damals beliebtesten Veranstaltungen einstellen, ob es sich dabei um Gladiatoren- oder um Ritterkämpfe handelte. In Pompeji zum Beispiel wurden die Arenen im Jahr 59 nach Christus für volle zehn Jahre gesperrt, weil sich die Tifosi gegnerischer Schwertkämpfer derart in die Wolle gekriegt hatten, daß am Ende ein Dutzend Tote vor dem Amphitheater lag. Werner Raith