Operation gelungen, Patient tot

■ betr.: „Das Wunder der Wiederge burt“ (Norbert Grob zu „Léon – der Profi“ von Luc Besson), taz vom 19. 1. 95

Kaum zu glauben: Die taz wirbt für Luc Besson, den kitschigsten aller Neuen Wilden des Films! Doch des Lobs war wohl zuwenig. Es war doch nicht schwer zu begreifen, daß Bessons neueste Killer-Schlunze eine noch größere kulturgeschichtliche Tragweite hat, als der Rezensent zu entdecken vermochte. Sie bedeutet nämlich – hegelianisch ausgedrückt – die Aufhebung des europäischen Films. Besson hat mit dieser seiner letzten Produktion die LÖsung zur Krise des US-amerikanischen Films gefunden: Schafft man den Gegenstand der Krise ab, so hat man die Krise überwunden. Operation gelungen, Patient tot.

Besson hat seinen Film nicht nur in den USA gedreht mit ausschließlich englischsprachigen Darstellern (wohlgemerkt mit US- Aussprache, Oxford hat in den States keine Chance!), er hat auch einen erznordamerikanischen Stoff verarbeitet – wie er überhaupt vorzugsweise abgedroschene aber gewinnbringende Themen aus der US-Mythololgie behandelt. In diesem Fall hat er sich das Thema des menschlichen, allzumenschlichen Unmenschen und seiner Begegnung mit einem unschuldigen – natürlich weiblichen – Opfer ausgewählt: den Kampf des Guten gegen das Böse. Tut mir leid, aber die King-Kong- und Frankenstein- Filme waren theologisch und künstlerisch ungemein besser. Der Vergleich mit Chérau, Resnais und Rivette ist wirklich das höchste, so etwas wie ein Vergleich zwischen den Landschaftsmalern Corot und Schicklgruber Adi.

Die Bezeichnung „Frankreich“ am Ende des Artikels ist einfach gelogen: USA wäre richtiger gewesen. Wer würde auf die Idee kommen, für Fritz-Lang-Filme der US- Periode oder für Hitchcock-Streifen die Bezeichnung „Deutschland“ (!) oder „Großbritannien“ hinzuzufügen. Diese Filme gehören zur US-amerikanischen Filmgeschichte, mit dem Unterschied, daß diese Regisseure sich nicht einfach einem kommerziellen Diktat unterworfen haben. Wenn man sich Bessons Kommerzfilm ansieht, so muß man daran zweifeln, daß (so der Regisseur, frei zitiert von Norbert Grob) „die Europäer das besser können, was die Amerikaner machen“. Im Gegenteil: Die US-Amerikaner machen, so scheint mir, bessere US-amerikanische Filme als ihre Nachahmer. Haben die taz-Feuilletonisten noch eine kulturelle linke Tasse im Schrank?

Wenn ich noch dazu sehe, daß die nächste taz-Seite daneben für Freddy wirbt (ist das „alternative Kultur“?), so frage ich mich: Ist die taz in Sachen Kultur nicht auf dem US-amerikanischen Auge blind? Warum sagt sie uns nichts von den Gefahren des US-Filmmonopols? Dabei müssen die Kulturseiten der taz nicht unbedingt diesen Schrott in der US-Produktion aussuchen: Bessere Werke ließen sich wohl problemlos finden. Hubert Guicharrousse,

Colombes/Frankreich