Der „kalte Frieden“ am Gefrierpunkt

Streit um Atomwaffensperrvertrag läßt das ohnehin distanzierte Verhältnis zwischen Ägypten und Israel einfrieren / Ägypten fürchtet, die Führungsrolle im Nahen Osten zu verlieren  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Als der israelische Präsident Ezer Weizmann Ende letzten Jahres Kairo besuchte, fand sich kaum eine ägyptische Persönlichkeit außerhalb der Regierung, die sich offen mit ihm treffen wollte. Sowohl der oberste Scheich der islamischen Azhar Universität als auch der Papst der koptischen Christen in Ägypten lehnten danken ab. Auf einem fast zur gleichen Zeit stattfindenden internationalen Filmfestival in Kairo waren israelische Filme nicht erwünscht. Auf der diesjährigen Internationalen Buchmesse in Kairo gibt es keinen israelischen Stand. Der israelischen Einladung an eine ägyptische Delegation zum Austausch von Informationen über militante Islamisten wurde ebenfalls nicht gefolgt. Israels Botschaft in Kairo, die wohl schwerstbewachte diplomatische Vertretung in der gesamten arabischen Welt, ist das einzig sichtbare Zeichen des vor fast 16 Jahren ausgehandelten Friedens geblieben.

Auch einen Tag vor dem plötzlich einberufenen Nahost-Gipfeltreffen in Kairo steht der „kalte Frieden“ zwischen Ägypten und Israel am Gefrierpunkt. Der Grund: Beide Regierungen weigern sich, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, der im April diesen Jahres in New York neu verhandelt werden soll.

Als der ägyptische Präsident Mubarak vor vier Jahren vor dem Europaparlament vorschlug, eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen Osten zu gründen, da reagierte die israelische Regierung abschlägig. Ägypten selbst will aber den Vertrag so lange nicht unterzeichnen, bis Israel – die angeblich sechstgrößte Atommacht der Welt – seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat. Diplomaten in Kairo mahnen, daß, wenn jetzt nichts passiere, der Nahe Osten in allernächster Zukunft bis an die Zähne nuklear bewaffnet ist. Denn heutzutage sei es nicht mehr schwer, an atomwaffenfähiges Material aus der ehemaligen Sowjetunion zu kommen.

Das Tel Aviver Zentrum für Strategische Forschung bezeichnete in seinem letzten Jahresbericht Ägypten nach Syrien und vor dem Iran und Irak als Feind „Nummer zwei“. Und der israelische Ministerpräsident Rabin warf Kairo vor, in der Frage des Atomwaffensperrvertrages eine extremistische Position einzunehmen.

Ein für die Hardliner im Land gedachtes Statement Rabins zu Beginn des Jahres goß zusätzlich Öl ins Feuer. Israel sei mittel- und langfristig bereit, mit seinen Nachbarn in den Krieg zu ziehen, ließ er verlauten. Kurz darauf veröffentlichte die israelische Zeitung Haaretz ein internes Arbeitspapier des israelischen Außenministeriums. Ägypten, so heißt es dort, müsse für seine negative Politik bestraft werden. Die USA sollten die Entwicklungshilfe für das Nilland kürzen, und die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern sollten in Zukunft nicht mehr in Kairo stattfinden. Obwohl sich der israelische Außenminister kurz darauf öffentlich von dem Papier distanzierte, waren die ägyptischen Diplomaten nun endgültig erzürnt.

Skeptisch bleibt Kairo auch gegenüber der Idee eines nahöstlichen Marktes mit Israel als integralem Teil. Perez schürte auf der letztjährigen Wirtschaftskonferenz für den Nahen Osten und Nordafrika in Casablanca diese Zweifel erneut: Nachdem Ägypten 40 Jahre lang die Führungsrolle in der arabischen Welt innehatte, könnte in Zukunft Israel die Zügel des ökonomischen Nahen Ostens in der Hand halten. Der ägyptische Chef der Arabischen Liga, Abdel Meguid, brachte die verhaltene ägyptische Stimmung gegenüber derartigen Szenarien kurz auf den Punkt: „Wir müssen uns fragen, ob Israel in Zukunft ein jüdisches Viertel in einer arabischen Stadt sein wird, oder ob israelische Firmen die Region beherrschen, so wie die britische Ostindien Company damals den indischen Kontinent beherrscht hat.“