Grüner Streit um § 218 spitzt sich zu

Berliner Parteifrauen wollen ersatzlose Streichung / Bonner Fraktion bringt dennoch am 10. Februar einen Gesetzentwurf zum Abtreibungsrecht in den Bundestag ein  ■ Aus Berlin Karin Flothmann

Die einen sprechen von einem Verrat an den Frauen, die anderen von machbarer Politik. Der parteiinterne Streit um den bündnisgrünen Gesetzentwurf zum Abtreibungsrecht spitzt sich zu. Schon vor knapp zwei Wochen hatte der Berliner Landesverband einen Beschluß verabschiedet, mit dem er die grüne Bundestagsfraktion dazu auffordert, ihren Gesetzentwurf zum § 218 wieder zurückzuziehen. „Ich bin vor allem aus dem Grund bei den Grünen, weil diese Partei für die Streichung des § 218 kämpft“, lautete am Dienstag abend das einhellige Plädoyer vieler Berliner Parteifrauen. Um über die Grundsätze bündnisgrüner 218-Politik zu diskutieren, hatten die Berlinerinnen zur Aussprache eingeladen. Sie wollen die Bundespartei, auch im Hinblick auf den bevorstehenden Berliner Wahlkampf und die Konkurrenz zur PDS, zurück zu den politischen Grundsätzen führen. Immerhin hatten die Grünen noch im Bundestagswahlkampf programmatisch für die ersatzlose Streichung des § 218 plädiert.

In Bonn hingegen lautet die Devise Zweigleisigkeit. Immerhin hatte die Fraktion ein eigenes Gesetz im Dezember vorgestellt und will es nun auch – ganz nach parlamentarischem Fahrplan – am 10. Februar in den Bundestag einbringen. Gleichzeitig will die Fraktion aber einen Entschließungsantrag verabschieden, in dem es heißt, daß die Bündnisgrünen grundsätzlich für die Streichung des § 218 eintreten. Ende Februar soll der grüne Entwurf dann noch einmal in einer ExpertInnenanhörung diskutiert und gegebenenfalls nachgebessert werden.

„Wir wollen in die politische Offensive gehen“, erläuterte die grüne Bundestagsabgeordnete Andrea Fischer am Dienstag abend dieses Vorgehen. Die Bonner Grünen wollen mit ihrem Gesetzentwurf Fakten schaffen, um mit einer „starken Position in die anstehenden 218-Verhandlungen in Bonn zu gehen“.

Doch dieses Procedere lehnen viele grüne Frauen ab. Der Entwurf, so die Argumentation der BerlinerInnen, übernehme „die Paradoxien des Bundesverfassungsgerichtsurteils“. Denn immerhin heißt es in dem Entwurf der Grünen: „Ziel dieses Gesetzes ist es, Schwangerschaftsabbrüche durch Aufklärung und Beratung zu vermeiden.“ An anderer Stelle definiert der Entwurf die Inhalte der Zwangsberatung: die umfassende Information der schwangeren Frau steht dabei im Mittelpunkt. Doch es heißt auch, die Schwangere müsse „insbesondere“ auf die Tatsache hingewiesen werden, „daß ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmefällen hingenommen wird“. Bei solchen Formulierungen wirkt es schon hilflos, wenn Andrea Fischer meint: „Wir konzentrieren uns in dem Entwurf darauf, die Rechte von Frauen festzuschreiben.“ Der Berliner Abgeordneten Sybill Klotz (Bündnis 90/Grüne/UFV) platzte denn auch der Kragen. „Mir kommt dieser Entwurf so vor, als würden die Grünen ein Gesetz zur humanen Nutzung von Atomenergie einbringen“, kommentierte sie erbost. Gleichzeitig wies sie auf die verheerende Wirkung des geplanten Gesetzes für den anstehenden Berliner Wahlkampf hin, gerade in Hinblick auf die starke Konkurrenz zur PDS.

Der Konflikt konnte auch in Berlin nicht entschärft werden. Die Fronten blieben hart. Die Berlinerinnen wollen sich jetzt dafür einsetzen, daß ein bundesweiter Sonderparteitag zum § 218 einberufen wird. Allein stehen sie nicht da. Auch der bayerische Landesvorstand übte am letzten Wochenende massive Kritik und forderte die Fraktion auf, den Entwurf nicht ins Parlament einzubringen. Und auch die Parteijugend ist empört. Die Bundesvorsitzende des grün-alternativen Jugendbündnisses, Birgit Spohn, betonte in einer Stellungnahme, sie halte an „Basisbeschlüssen“ fest, und forderte die Streichung des § 218. Schon vor vierzehn Tagen hatte der Landesverband von NRW die grundsätzliche Überarbeitung des Gesetzes gefordert.

Was die Bundestagsfraktion tun wird, wenn die PDS einen entsprechenden Entwurf zur ersatzlosen Streichung einbringt, wußte Andrea Fischer am Dienstag nicht zu sagen. Doch über diese Frage muß sich ihre Fraktion spätestens am 10.2. Gedanken machen. Denn dann wird die PDS einen Antrag zur Änderung des Grundgesetzes einbringen. In Artikel 2, Absatz 3 soll es künftig heißen: „Jede Frau hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austrägt oder nicht.“ Logische Konsequenz dieser anvisierten Verfassungsänderung: die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch.