Ist Richter Orlet zu stoppen?

Fraktionsübergreifende Initiative im Stuttgarter Landtag mit dem Ziel, den umstrittenen Richter Orlet des Amtes zu entheben  ■ Von Christian Rath

„Wir sehen uns darin bestätigt“, so der Pressesprecher der SPD- Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Hans Lange, „daß Richter Rainer Orlet nicht weiter in der Kammer bleiben darf.“ Das ist eines der Ergebnisse eines Spitzengesprächs von gestern. Auf Einladung der SPD nahmen die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Bündnisgrünen und FDP daran teil. In der Sitzung wurden verschiedene Möglichkeiten erwogen, wie gegen Rainer Orlet disziplinarrechtlich vorgegangen werden könne. Ein entsprechendes Gutachten soll der baden-württembergische Justizminister Thomas Schäuble erstellen. In diesem soll es weniger um Orlets umstrittenes Urteil beim Deckert-Prozeß (Deckert hatte Auschwitz geleugnet und war von Orlet als charakterlich zuverlässiger Mann beurteilt worden; d. Red.) gehen, sondern mehr um Orlets Presseäußerungen nach dem Urteil. Möglicherweise hat Orlet dabei gegen die richterliche „Mäßigungspflicht“ verstoßen. Am Freitag wird die Runde erneut zusammentreffen.

Des weiteren wird Schäuble gebeten, so ein Ergebnis des Spitzengesprächs, mit dem Präsidenten des Mannheimer Landgerichts ein „Rechtsgespräch“ zu führen. Ziel dieses Gesprächs soll eine Geschäftsumverteilung noch im laufenden Jahr sein, eine höfliche Umschreibung dafür, daß Orlet sein Tätigkeit verliert.

Schließlich wollen alle Fraktionen ein zusätzliches Rechtsgutachten bei einem Verfassungsrechtler in Auftrag geben. Die Frage, die die Stuttgarter umtreibt, ist: Kann gegen Rainer Orlet vor dem Bundesverfassungsgericht eine Richteranklage mit dem Ziel seiner Entlassung angestrengt werden? Eine solche Klage wäre in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte einmalig. Bislang sieht weder die CDU noch das Justizministerium die rechtlichen Voraussetzungen für eine Richteranklage gegeben. „Das“, so Pressesprecher Lange, „könnte sich mit einem Gutachten aber ändern.“

Wahrscheinlich sind manche Beteiligte über die ablehnende Haltung der CDU in dieser „heiklen“ Frage sogar froh. Die Richteranklage sei kein Mittel, um auf einzelne Urteile zu reagieren, seien sie auch noch so skandalös, wird unterderhand gesagt. Denn eine Lehre aus der Weimarer Republik müsse sein, daß es den Parlamenten möglich sein müsse, offen antidemokratische RichterInnen aus dem Verkehr zu ziehen.

Daß sich das Problem Orlet allerdings demnächst von selbst erledigt, erwartet niemand. Der erste gegen den Skandalrichter gestellte Befangenheitsantrag wurde von seiner Kammer schon jetzt vom Tisch gefegt. Ein Strafverteidiger hatte gerügt, daß sein Mandant, ein wegen Mordes angeklagter albanischer Asylbewerber, bei Orlet nicht mit einem „vorurteilsfreien“ Prozeß rechnen könne. In dem Kammerbeschluß wird dem Anwalt vorgeworfen, er vermische die politischen Ansichten Orlets mit denen des NPD-Vorsitzenden Deckert „in logisch unhaltbarer Weise“. An dem Kammerbeschluß nahm neben den RichterInnen Müller und Folkerts auch Orlet teil. Das Trio stufte den Antrag des aufmüpfigen Anwalts nicht nur als „unbegründet“, sondern sogar als „unzulässig“ ein. Er habe „verfahrensfremde Zwecke“ im Sinn.

Die Verhandlung der Orlet- Kammer gegen den Albaner und zwei Mitangeklagte begann gestern gleich mit einem Eklat. Eine Schöffin war aus Protest gegen Orlet nicht erschienen. Inzwischen verweigern zehn Mannheimer SchöffInnen die Zusammenarbeit mit Orlet. Weitere 40 haben sich solidarisiert.Kommentar Seite 10