Rachemord im Mordprozeß

■ Schwurgericht Köln: Onkel des Mordopfers erschießt Angeklagten

Köln (dpa) – Während eines Mordprozesses hat am Mittwoch in Köln der Onkel des Mordopfers einen der drei Angeklagten erschossen und drei Zuschauer verletzt. Der als Nebenkläger zugelassene Mann wurde überwältigt und noch im Gerichtssaal festgenommen. Zu den Verletzten gehören Angehörige der Angeklagten.

Die Verteidigung hatte gerade einen Beweisantrag zur Rachekultur in der Türkei eingebracht, als der Onkel im Zuschauerraum wortlos aufstand und eine Waffe gegen die Anklagebank richtete. Staatsanwalt Rainer Gliss berichtete später: „Ich habe sechs bis sieben Schüsse gezählt und warf mich dann zu Boden.“ Ein Zuschauer sagte über den Schützen: „Der hat gezogen und geschossen – eiskalt. Das war geplant.“

Nach Augenzeugenberichten drehte sich der Schütze dann um und und feuerte im Zuschauerraum auf Verwandte der Angeklagten – fast alles Türken. Der Bruder eines der Angeklagten sei aufgesprungen und habe zusammen mit einem anderen Zuschauer den Bewaffneten überwältigt. Dabei half auch der Vorsitzende Richter Dietmar Herfs.

Die Bluttat ist offenbar ein Racheakt: Im Sommer 1994 war die verkohlte Leiche des 20jährigen Türken Cetin Apuhan an einem See bei Köln gefunden worden. Der Mann war mit einem Baseballschläger erschlagen, mit Benzin übergossen und angezündet worden. Knapp zwei Wochen später hatte die Polizei drei Tatverdächtige festgenommen, den 27jährigen Griechen Turhan Kabur M, der als Hauptangeklagter gilt, sowie die beiden Türken Ayhan A. (24) und Ahmet A. (29). Das Opfer und die Verdächtigen sollen als Rauschgifthändler tätig gewesen sein.

Der Prozeß hatte ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen begonnen. Dieter Laum, Präsident des Oberlandesgerichts Köln, sagte, es habe keine Hinweise auf eine Gefährdung gegeben. Daher seien auch keine Durchsuchungen nach Waffen angeordnet gewesen. „Wir wollen als Justiz offen sein.“