Schnellbootkommandant führt nun Panzerkreuzer

■ Neuer Generalstaatsanwalt H. Karge will „mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt“ / Strafverteidiger sind entsetzt

Mit kernigen Sprüchen meldete sich bei der gestrigen Amtseinführung der beiden neuen Generalstaatsanwälte Hansjürgen Karge, Leiter der Staatsanwaltschaft I beim Landgericht, zu Wort. Während die Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) im Konferenzsaal des Moabiter Kriminalgerichts betonte, daß sie das geltende Haftrecht für ausreichend halte, kündigte Karge an: „Wir werden mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt.“ Mit „altpreußischem Gehorsam“ wolle er für „sachliche Offenheit und vollständige Informationen“ sorgen. Nach den ersten vier Amtswochen habe er den Eindruck, daß die Staatsanwaltschaft „noch etwas in Fieberzuckungen“ liege.

Karge, der von November 1990 bis Mai 1993 leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft in Thüringen war und danach Leiter der Staatsanwaltschaft beim Marburger Landgericht, war bei seinem Abschied in Suhl bescheinigt worden, er habe die Behörde wie ein „Schnellbootkommandant“ geführt. Er verstehe das als Kompliment, sagte er gestern und fügte hinzu, daß Berlin eher einem „Panzerkreuzer“ gleiche.

Wie es die Aufgabe eines Bäckers sei, zu backen, sei es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Strafverfolgung zu betreiben. „Ich war und bin ein Querkopf“, unterstrich er seine Vorstellungen einer härteren Gangart der Justiz. Nachdem Generalstaatsanwalt Hans-Joachim Heinze aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand getreten war, hatte man als Nachfolger an der Spitze der größten Staatsanwaltschaft Deutschlands einen Organisationsfachmann gesucht.

Karge war bereits wenige Tage vor seiner Wahl durch das Abgeordnetenhaus im Dezember 1994 von der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger e.V. in einem offenen Brief kritisiert worden. Bei der Vorstellung bei den Fraktionen des Abgeordnetenhauses hatte er sich für mehr und schnellere Verhaftungen ausgesprochen.

Die Strafverteidiger kündigten damals an, Karges Kurs, sollte er ihn umsetzen, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzusteuern“. Auch die Justizsenatorin kommentierte gestern diese Äußerungen Karges: „Wer heute nach mehr Härte ruft, kann sich des Beifalls eines Großteils der Öffentlichkeit sicher sein.“

Rechtsanwältin Ulrike Zecher, die bei der gestrigen Feierstunde den Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. vertrat, sagte zur taz, daß sich Karge durch seinen Vergleich mit einem Panzerkreuzer „disqualifiziert“ habe.

Auch die Vertreterin der Bündnisgrünen im Rechtsausschuß des Abgeordnetenhaus, Renate Künast, sagte zur taz, daß sie die militärischen Begriffe „schaurig“ und „instinktlos“ finde. Das bewirke ein „tiefes Mißtrauen“: „Wir werden ihm entsprechend auf die Finger gucken.“

Unumstritten ist dagegen der zweite Generalstaatsanwalt, Christoph Schaefgen. Der neue Leiter der Staatsanwaltschaft II beim Landgericht, zuständig für Regierungs- und Vereinigungskriminalität und Rechtsbeugungsfälle, hat vorher die Ermittlungsgruppe DDR-Regierungskriminalität geleitet. In seiner gestrigen Rede zitierte er den im letzten Jahr verstorbenen Philosophen Karl Popper: „Optimismus ist Pflicht.“ Barbara Bollwahn