■ Die Schweizer haben eine Art Ökosarg entwickelt:
: Ewige Ruhe in einer Pappschachtel

Robert Bormuth hat von Berufs wegen mit Trauernden zu tun. Der Besitzer eines kleinen Bestattungsunternehmens in Südhessen weiß, wie wichtig es vor allem für sie ist, daß der letzte Gang des Verblichenen würdevoll inszeniert wird. „Es ist viel, viel mehr, als einen einfach in die Kiste zu legen.“ Und weil selbst die letzte Kiste eben nicht nur einfach eine Kiste ist, hat er für die Kisten, die nun aus der Schweiz nach Deutschland kommen sollen, auch nur Kopfschütteln übrig. Pappsärge? „Die werden sich bestimmt nicht durchsetzen“, meint Bormuth.

Es ist fast zum Im-Grabe-Herumdrehen: Eine eidgenössische Firma rüttelt am traditionellen Sarg und will ihm ans Holz. Beerdigungen der neuen Art mit „Peacebox ecological“ versprechen zwei Schweizer Prospekte. Die ersten Pappboxen sind bereits bei einigen Bestattungsunternehmen in Deutschland eingetroffen.

Ökoautor, Ökobier, Ökoflugreisen – wenn schon alles öko ist, kann's der Sarg doch auch? „Keiner, der in seinem Leben etwas geleistet hat, wird sich in einen Pappsarg legen“, ist sich Bormuth dagegen sicher. Und auch wenn man nach seinem Ableben nicht mehr so richtig die Kontrolle darüber hat, ob nun „Holz oder nicht Holz?“ die Frage ist – kein Angehöriger würde dem Verstorbenen die Pappschmach antun. Vor allem, weil sie schnell auf die Lebenden zurückfallen könnte: Tratsch ist nicht nur auf Dörfern immer noch oftmals der effektivste Rufmord. „Die Leute sind deshalb auch beim Tod noch auf Prestige bedacht.“

Doch ganz so heilig wie früher scheint die letzte Ruhe nicht mehr zu sein: Gerade bei Feuerbestattungen, so hat man beim Beerdigungsinstitut Best aus Darmstadt festgestellt, gibt es immer wieder Anfragen von Angehörigen, ob es denn keine Leihsärge gebe, die man nach der Trauerfeier und vor der Einäscherung ... – harte Zeiten eben. Die Investitionen für die einmalige Sache sind allerdings auch hoch: Mehrere tausend Mark kann ein Holzsarg kosten. Vor diesem Hintergrund hat das Schweizer Angebot auf den ersten Blick zumindest einen fast unschlagbaren Vorteil auf seiner Seite: den Preis. Während die Särge im Bormuthschen Lager zwischen 600 und 6.000 Mark kosten (Stücke für 15.000 Mark aber auch zu haben sind), bieten die Geschäftsleute aus dem Schweizer Ort Villars-St. Croix ihre ökologischen Peaceboxes im Einkaufspreis für rund 150 Mark an.

900.000 Vollholzsärge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft. Und wenn nichts sicher ist – dieser Markt wird auch in Zukunft zu einem der sichersten der Welt gehören. Platz genug also auch für Ökosärge? „150 Mark ist für eine Pappschachtel ein Witz. Man bekommt ja schon heute Holzsärge für unter 100 Mark“, zählt für Bruno Bonin, der bei Darmstadt ein Geschäft für Beerdigungsbedarf betreibt, auch der finanzielle Aspekt nicht. Diese billigen Särge seien zwar unterstes Niveau, einfache Holzsärge ohne Verzierung. Pappschachteln liegen für ihn jedoch noch einmal eine Stufe weiter unten. „Das Ding hat keine Chance. Niemand will in einer Schachtel verbuddelt werden.“

Doch ob nun vorstellbar oder chancenlos, im Moment schaut die Branche dem Trauerzug mit Pappsarg relativ gelassen entgegen. „Abgesehen von der Frage, ob so etwas den hiesigen Bräuchen entspricht, von der Gesetzgebung her ist es gar nicht erlaubt“, ist sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes des deutschen Bestattungswesens, Jürgen Bethke, ziemlich sicher, daß es Pappsärge in absehbarer Zeit in Deutschland nicht zu kaufen geben wird. Und auch dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Sargindustrie, Siegfried von Lauvenberg, bereitet eher die steigende Zahl der Billigsargimporte aus Osteuropa (rund 100.000 wurden 1994 eingeführt) als der Pappsarg Sorge. Denn die bringen durch ihre Dumpingpreise derzeit so manchen deutschen Sarghersteller an den Rand seines – wirtschaftlichen – Grabes. „Es ist jedoch nicht der erste Versuch, einen Pappsarg zu etablieren“, sagt von Lauvenberg. Im Vertrauen auf die Trauernden wurden diese Versuche bisher alle gemeistert – und der Sarg blieb aus Holz.

In allen Bundesländern und im Feuerbestattungsgesetz, so Jürgen Bethke, seien Holzsärge bei Beerdigungen vorgesehen, „und ich glaube nicht, daß die Gesetze geändert werden. Und wenn sich doch einer die Mühe macht – das dauert schließlich Jahre.“ Ohne Gesetzesänderungen könnten Pappsärge in Deutschland für Bestattungen aber nicht genutzt werden.

315.000 Kubikmeter Holz wurden im vergangenen Jahr bei der Herstellung von Särgen verbraucht, „doch Holz ist genug da“, meint Siegfried von Lauvenberg. Sein Kollege vom Bestattungswesen sieht das ähnlich. „Und ob Pappe und der Leim, der den Sarg zusammenhält, ökologisch wirklich sinnvoll sind, muß erst noch durch Gutachten geprüft werden“, sagt Bethke. Daß sie die Abgasnormen bei Herstellung und Verbrennung sogar unterschreiten, behaupten die Schweizer. Dennoch dürfte der ökologische Aspekt im Gesamtkomplex wohl eher eine Marginalie sein – nicht nur weil ein toter Mensch durch die Vielzahl von Giftstoffen, die sich im Laufe der Jahre in seinem Körper eingelagert haben, eigentlich sowieso zum Sondermüll zählt. Pappe hin, Holz her – einzig bei der Feuerbestattung können sich einige Bestattungsunternehmer Pappe als Alternative vorstellen. Bei der normalen Beerdigung müsse die Schweizer Peacebox schließlich auch – etwa durch Holz – verstärkt werden, damit sie von der auf ihr liegenden Erde (etwa zwei Tonnen Gewicht lasten auf einem Sarg) nicht sofort eingedrückt wird. Für die Verwesung darf ein Sarg aber nicht gleich, wie es im Fachjargon heißt, „zuklappen“, sondern muß mehrere Jahre lang Sauerstoff an den Leichnam gelangen können, damit es zur Zersetzung des Körpers kommt. Doch das sind technische Feinheiten. Vollholz- oder Ökosarg – was bleibt, ist eine Frage des Geschmacks. „In einer Pappschachtel begraben zu werden, das ist ja beinahe asozial“, sagt Schreinermeister und Bestattungsunternehmer Robert Bormuth. Im Leben könne schließlich insgesamt viel schiefgelaufen sein – das Ende solle man trotz allem mit Würde begehen: gediegen getragen im Holzsarg. Ralf Ansorge