Zuwenig Wasser im Ried

Austrocknendes Donauried bei Ulm liefert Trinkwasser für Großraum Stuttgart / Gutachten über Umweltauswirkungen erst in 45 Jahren?  ■ Aus Ulm Manfred Sing

Während die Flüsse überlaufen, wird das Trinkwasser knapp. Der Großraum Stuttgart bedient sich ungehemmt aus dem Grundwasser der näheren und ferneren Umgebung. Im Donauried bei Ulm trocknet infolgedessen der Boden zusehends aus. Wenn der Wasserhaushalt nicht mehr stimmt – was unternimmt dann die baden-württembergische Landesregierung? Sie schiebt das Problem für 45 Jahre auf. So beurteilen jedenfalls die Kritiker derzeit die Landespolitik zu Stuttgarts zweitgrößtem Trinkwasserreservoir.

Die Naturschützer, Kommunen und Landwirte in der betroffenen Region fordern eine umfassende Ökostudie für das Ried. CDU- Landrat Wolfgang Schürle hat die Landespolitiker schriftlich um Hilfe gebeten. Seit 1984 versuche er erfolglos, „die Folgen der Wasserentnahme überprüfen zu lassen“, klagt er. Doch der SPD-Umweltminister in Stuttgart, Harald Schäfer, hält ein umfassendes Gutachten für „unverhältnismäßig“. Rechtlich könne es sowieso erst eingefordert werden, wenn die Genehmigung zur Trinkwasserentnahme auslaufe. Das ist im Jahre 2039 der Fall.

Unübersehbar sind schon jetzt die Folgen der Wasserentnahme in dem Gebiet 30 Kilometer östlich von Ulm an der bayerischen Grenze. Jährlich bläst der Wind ein bis zwei Zentimeter ausgetrockneten Torfboden weg. In den vergangenen Jahrzehnten dürfte die Ried-Oberfläche um gut einen Meter gesunken sein. Genaue Zahlen darüber gibt es nicht.

Seit 1912 ist der Wasserzweckverband mit Sitz in Stuttgart im Donauried präsent. Er betreibt zur Zeit rund 200 Trinkwasserbrunnen. 2,8 Millionen Schwaben in 220 Städten und Gemeinden verbrauchen das Grundwasser aus dem Langenauer Ried; die Landeshauptstadt erhält fast die Hälfte ihres Wassers aus dem 80 Kilometer entfernten Langenauer Wasserwerk. Der Rest wird per Fernleitung vom Bodensee nach Stuttgart gepumpt. Der Leiter des Verbandes, Professor Dieter Flinspach, schreibt die Schäden im Ried aber den Landwirten und deren Entwässerungsgräben zu.

Entbrannt ist der Grundsatzstreit wegen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die bis 1996 abgeschlossen sein soll. Der Anlaß: Die Landeswasserversorgung hat eine ihrer sechs Brunnenreihen abgestellt und fördert statt dessen Wasser direkt aus dem Karst. Statt aus zwölf Metern sprudelt das Wasser nun aus zwei Brunnen von 65 und 120 Meter Tiefe. Das Karstwasser ist bedeutend sauberer, Pestizide und Nitrate sind kaum nachweisbar. Dagegen liegt das Wasser aus den Flachbrunnen nur noch zehn Milligramm unter dem Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter – Tendenz steigend, wegen des Düngereintrags. Den Glücksfall – besseres Wasser im gleichen Gebiet – will die Landeswasserversorgung nicht ungenutzt lassen. Die Kosten für die Studie beziffert sie auf eine Million Mark.

Die Kritiker argwöhnen, ein positives Ergebnis der Studie sei vorgezeichnet. Nach 80 Jahren seien die früheren und jetzigen Folgen der Wassergewinnung immer noch unklar, rügt beispielsweise Landrat Schürle. Zudem fürchten die Langenauer die Salamitaktik. Seit der Reform des Umweltrechts 1992 gelten für Eingriffe, die mehr als fünf Millionen Kubikmeter Wasser zutage fördern, schärfere Auflagen. Vor kurzem nun hat die Landeswasserversorgung die Förderung aus dem Karst an einer weiteren Brunnenreihe unter die Lupe genommen. Solange die Fünf-Millionen-Grenze nicht überschritten wird, ist dort für eine Förderung nicht einmal mehr eine „kleine“ Umweltstudie nötig.

Jährlich zahlt die Landeswasserversorgung drei Millionen Mark allein für das Ried-Grundwasser ans Land, doch das nicht zweckgebundene Wasserentgelt versickert im Landeshaushalt. Die Wasserversorger haben nachgerechnet, daß höchstens die Hälfte dem Grundwasserschutz oder den Bauern zugute kommt. Der Wasserpfennig, 1988 von Lothar Späth eingeführt, hat mittlerweile eine Milliarde Mark in die Landeskasse gebracht – ohne daß im Grundwasserschutz „wirklich etwas erkennbar wird“, so ein Sprecher der Landeswasserversorgung.