Kein Geld für Afrika

■ Die Bundesregierung streicht die Zuschüsse zur Entwicklungshilfe der EU drastisch zusammen

Brüssel (taz) – Die Entwicklungshilfe ist kein Steinbruch, in dem man nach Bedarf abbaue, versprach Bundeskanzler Kohl. Die finanzielle Unterstützung der mittel- und osteuropäischen Staaten werde nicht zu Lasten der Dritten Welt gehen. Aber das ist ein paar Jahre her, Geschwätz von gestern. Heute wird der deutsche Außenminister in Brüssel den EU-Partnern mitteilen, daß die Bundesregierung ihren Anteil an der gemeinsamen Entwicklungshilfe um rund 30 Prozent senken wird. Bonn habe Haushaltsprobleme, das müsse auch Afrika einsehen.

Der Schnitt ist gut vorbereitet und mit einigen Ländern, vor allem Großbritannien abgesprochen. Auch die Regierung in London will weniger zahlen. Ihr geht es allerdings nicht ums Geld. Denn die Major-Regierung stockt zugleich die bilaterale Hilfe auf. Der britischen Regierung ist die europäische Hilfe zu sehr auf die ehemaligen französischen Kolonien in Afrika zugeschnitten. Auch der deutschen Regierung geht es nicht nur ums Geld. Die Verträge sind so langfristig, daß alles, was jetzt gestrichen wird, frühestens in zehn Jahren Einsparungen bringt.

Es geht ums Prinzip. Die konservativen Regierungen ziehen die bilaterale Entwicklunghilfe vor, bei der die Kredite und Zuschüsse so verteilt werden, daß die Industrie in Deutschland oder Großbritannien auch etwas davon hat. Da kann man Freundschaften zur chinesischen Regierung und die deutsche Werftenindustrie gleichzeitig fördern.

Die EU-Entwicklunghilfe ist völlig anders gestrickt. Großprojekte, die Kern jeder bilateralen Hilfe sind und oft mehr Schaden als Nutzen anrichten, sind hier nicht üblich. Die Grundidee ist vielmehr, Entwicklung durch fairen Handel zu fördern. Die EU- Entwicklungspolitik basiert immer noch auf den Lomé-Verträgen von 1975. Damals wurde den sogenannten AKP-Staaten (AKP steht für Afrika, Karibik, Pazifik und umfaßt heute 69 Entwicklungsländer, meist ehemalige Kolonien) ein System von Handelserleichterungen zugestanden. Es ist das bislang einzige Modell einer partnerschaftlichen Nord-Süd-Zusammenarbeit.

Neben nahezu zollfreiem Zugang zum europäischen Markt wurden Ausgleichszahlungen für ungerechte Handelsbeziehungen vereinbart. Wenn zum Beispiel die Weltmarktpreise für Kupfer oder Kaffee dramatisch fallen, erhalten die betroffenen AKP-Länder automatisch Finanzhilfen aus dem Stabex, einem Fonds zur Stabilisierung von Exporterlösen. Über die Verwendung des Geldes entscheiden die Empfängerländer selbst. Einzige Auflage ist, mit dem Geld den betroffenen Exportsektor zu stärken. Auch wenn sich die Hoffnungen auf schnelle Entwicklung kaum erfüllt haben, hat sich der Ansatz bewährt, weil er aus Bittstellern selbstbewußte Partner gemacht hat.

Das Lomé-Abkommen wird jeweils auf zehn Jahre abgeschlossen. In diesem Jahr steht wieder eine Halbzeitüberprüfung an. Die deutsche und die britische Regierung wollen das Lomé-Abkommen nun finanziell etwas austrocknen. Widerstand ist vor allem von der französischen Regierung zu erwarten, der an gedeihlichen Beziehungen zu ihren ehemaligen Kolonien gelegen ist. Auch im deutschen Außenministerium gibt es unabhängig denkende Beamte, die den Sparkurs hinter vorgehaltener Hand für verheerend halten. Das Lomé-Abkommen erreiche vor allem die ärmsten Länder in Afrika, die von innenpolitischen Krisen besonders bedroht seien und die wirtschaftliche Unterstützung bitter nötig hätten. Wenn Einsparungen schon unbedingt sein müssen, dann lieber bei den bilateralen Entwicklungsprojekten.

Der Bonner Beitrag für die EU- Entwicklungshilfe macht mit knapp einer Milliarde Mark jährlich ohnehin nur ein Achtel des deutschen Entwicklungshaushaltes aus. Gemessen am Bruttosozialprodukt zahlt Deutschland schon heute weniger als die meisten anderen EU-Länder. Alois Berger