Theater und Oper marktgerecht führen

■ Die Grünen beschäftigten sich mit der Kultur und redeten wie Jung-FDPler

Bremen (taz) – Hübsche Klischees werden gestrickt, wenn über „grüne Kulturpolitik“ geredet wird: Die Grünen – Feinde der Oper; die Grünen – Partner der soziokulturellen Zentren samt ihrer vermeintlichen Makramee- und Töpferkundschaft. Das Image, sich auf „Klientelversorgung“ zu beschränken, wollen Bündnis 90/ Die Grünen nun ein für allemal loswerden.

In Bremen begann am Wochenende das erste von mehreren Diskussionsforen, auf denen die Partei klären will, wie das grüne Kulturprofil der Zukunft aussehen soll. Und da könnte es der Oper wie dem Kulturzentrum an den Kragen gehen: „Wir müssen alle kulturellen Leistungen, einschließlich des Theaters, in Frage stellen.“ Alle, so formulierte es Hermann Voesgen (Oldenburg), müßten sich neu legitimieren; erst nach diesem Prozeß dürfe die öffentliche Kulturförderung aktiv werden. Zu diesem Prozeß aber trugen die Grünen zunächst wenig Substantielles bei. Die wenigen Ansätze zu inhaltlichen Schwerpunktsetzungen wurden von Verfahrensfragen überlagert. So klangen viele Beiträge der Diskussion, zu der die Bremer Kultursenatorin Helga Trüpel ParteifreundInnen der halben Republik eingeladen hatte, nach Ideengut wirtschaftsliberaler FDP-Junioren.

Der Staat habe sich „als Unternehmer kultureller Dienstleistungen disqualifiziert“ (Holger Walla, Jena); der „Prozeß der Dienstleistungserfüllung muß wieder in die Gesellschaft zurückgetragen werden“. Das bedeutet, in private Hände. Zum Beispiel so: Beim nächsten Intendantenwechsel am Stadttheater werden die Nürnberger Grünen darauf drängen, „die Führungskräfte am Einspielergebnis zu beteiligen“. Auch, wenn's mal in die roten Zahlen geht. Wenn das Große Haus „die vierte Zauberflöten-Inszenierung in zehn Jahren bringt“ und dabei schlechtes Theater bietet, „dann sollen die Schauspieler dafür gradestehen“, der Intendant erst recht. Aufgabe der Kommune bleibe es, den „Leistungskatalog“ (Walla) an die Kulturbetriebe zu formulieren und zu kontrollieren. Staat und Kommune als Förderer, private GmbHs als Kulturvollstrecker. Ein Spagat.

Daß dieses Modell überall tragen kann, wurde allerdings zaghaft bezweifelt. Barbara Loer (Bremen) hielt es für „kaum möglich, daß so etwas wie eine Stadtbücherei marktgerecht zu führen ist“ – es sei denn über horrende Leihgebühren.

So bleibt es den Grünen in den nächsten Runden wohl nicht erspart, nicht nur über Mittel, sondern auch über Ziele einer neuen Kulturpolitik nachzudenken. Einigkeit scheint immerhin bei zwei Schwerpunkten zu bestehen: „Dezentrale Kulturbetriebe“ müßten ebenso wie die großen Häuser bedacht werden; multikulturelle Ansätze müßten weiterhin besonders beachtet werden. Beides soll dazu beitragen, „weg von den einfachen Identitätsbildern“ zu kommen (Voesgen), wie sie die Volksparteien so gern hätten. Was sonst noch zu fördern sei – darüber müsse ein „gesellschaftlicher Konsens“ herbeigeführt werden, wünschte sich Sabine Weißler (Berlin).

Der aber ist selbst bei Bündnis 90/Die Grünen nicht in Sicht. Helga Trüpel zum Beispiel gibt sich „strukturkonservativ“ und will auf alle Fälle am Dreispartentheater alter Prägung festhalten. Ein Platz für avantgardistische Opern böte sich ja nirgendwo anders in der Kulturszene. Als „totes kulturelles Erbe“ möchte hingegen der Kölner Wolfgang Hippe das Stadttheater begraben wissen. Die Stadt könne sich da schadlos aus der Förderung zurückziehen und das Spiel den Freien überlassen.

Zuletzt bezweifelte man gar, daß sich kulturpolitische Leistungen der Kommunen überhaupt noch inhaltlich legitimieren lassen. Die Förderung von Theatern und Museen läßt sich für den Berliner Kultursoziologen Albrecht Göschel „nur noch mit esoterischen Argumenten“ begründen. Und bei der Subventionierung von Soziokulturläden unterliege die Partei immer noch „einer Illusion von Breitenkultur“: Hier werde „nicht im entferntesten ein Querschnitt der Bevölkerung“ angesprochen. Thomas Wolff