Entfesselter Schlosser

■ Der Maschinenschlosser Andreas Hoff betreibt den ersten sadomasochistischen Schlüsseldienst / Schnelle Hilfe, wenn die Handschellen nicht mehr aufgehen

Wenn Andreas Hoff den schwarzen Army-Look gegen Anzughose, Schlips und Sakko eintauscht, ist er als Berlins erster sadomasochistischer Schlüsseldienst unterwegs. Äußerliche Unauffälligkeit ist ein Muß bei einem Job, der in der Regel in die gediegeneren Berliner Bezirke führt. Ist die Optik erst einmal auf Ray Cokes im Schrankformat getrimmt, kommt neben den handwerklichen Fähigkeiten vor allem das psychologische Know-how, besser bekannt als „gut zureden“, zum Einsatz.

„Wer als braver Bürger nackt und gefesselt in der Badewanne gefangen ist, weil die Frau im Streit den Schlüssel vom Balkon geworfen hat, steht meistens kurz vor dem Nervenzusammenbruch“, erzählt der 30jährige Berliner. Allerdings betreut Hoff auch Pärchen, die sich an seinen Entfesselungskünsten delektieren: „Viele Pärchen fahren einfach darauf ab, von mir ,erwischt‘ zu werden.“ 100 Mark die Stunde plus Anfahrt, Mehrwertsteuer und Werkzeugkostenpauschale kostet die Befreiung aus Ketten oder Handschellen, ganz gleich, ob es sich um einen „Unfall“ oder exhibitionistisches Vergnügen handelt.

Eine Summe, die für seine Klientel wohl eher in die Kategorie Peanuts fällt: „Meine Kunden sind die Besserverdienenden“, sagt Hoff. Als Kenner und Aktiver in der Szene bestätigt er das Klischee, daß gerade Menschen, die im Beruf Macht ausüben, eher dazu neigen, ihre Sexualität devot auszuleben.

„Urkomisch“ findet er es, wenn er morgens die Zeitung aufschlägt und ihm dort der Politiker entgegenlächelt, den er „neulich erst im Puff losgeeist hat“. „Logisch“ sei von daher die „hundertprozentige Diskretion“. „Man muß die Leute beim Schlimmsten erwischen, dann macht es am meisten Spaß“, formuliert Hoff seine Arbeitsauffassung.

Tagsüber und hauptberuflich fertigt Hoff in seiner Kellerwerkstatt von Handschellen bis zur Streckbank alles, was den Liebhaber von S/M-Praktiken erst so richtig in Wallung bringt. Als „Spielzeugdesigner“ sieht sich der Erfinder des Keuschheitsgürtels „Modell Rahaus“.

Der vergitterte Slip, wahlweise aus blitzendem Chrom oder Edelstahl, erlaubt es, diskret unter der Kleidung getragen zu werden. So kann problemlos allen Freuden und banalen Verpflichtungen des Alltags nachgegangen werden. Lediglich ein verräterisches Klappern kann dann noch die Passion des Trägers oder der Trägerin preisgeben.

Maßgefertigt hat die progressive Konstruktion allerdings einen stolzen Preis: 3.000 Mark muß hinblättern, wer in puncto Treue ganz auf Nummer Sicher gehen will. Abnehmer für die S/M-Ausrüstungen sind sowohl Privatpersonen als auch Dominastudios und Bordelle. Hoff ist gelernter Maschinenschlosser und arbeitete früher als technischer Angestellter im öffentlichen Dienst.

Zunächst baute er in seiner Freizeit Ritterrüstungen und Schwerter für die „dominant sadistischen Mittelalterspiele“, die er mit seinen Freunden auf Schlössern oder im Sommer auch draußen veranstaltet. Die Nachfrage nach Andreas Hoffs erotischen Accessoires stieg kontinuierlich, denn sie haben gegenüber herkömmlichen S/ M-Utensilien einen entscheidenden Vorteil: Sie sind ausbruchsicher.

„Aus normalen Handschellen kommt man mit einer Haarnadel wieder raus“, beschreibt Hoff die Produkte, die in jedem Sex-Shop erworben werden können. Wer allerdings einmal in maßgefertigten Eisenfesseln hinter Schloß und Riegel gebracht wird, „kommt da garantiert ohne fremde Hilfe nicht mehr heraus“.

Aus diesem exklusiven Bonus, der sich rasch in eine unerwünschte Nebenwirkung verwandeln kann, erwuchs die Idee zum S/M-Schlüsseldienst. Existenzängste fürchtet Hoff nicht im geringsten: „Wenn die Regierung nach Berlin kommt, wird mein Geschäft erst so richtig boomen.“ Heike Blümner