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SanssouciVorschlag

■ „Geschichten aus dem Wiener Wald“ im bat-Studiotheater

Donau so blau, der Herrgott muß a Weaner sein, ach Wien, Wien, nur du allein. Das Volksstück „Geschichten aus dem Wiener Wald“, mit dem Ödön von Horváth 1931 seinen durchschlagenden Erfolg hatte, rechnet ab mit der verlogenen Legende vom goldenen Wiener Herz. Roh, egoistisch und boshaft sind sie, die Leut' aus der Vorstadt, aber dabei immer gutmütig und „g'mütlich“. Küß die Hand! Sie sind dumm und verachten die Dummheiten ihrer Nachbarn, mit denen sie, wie alle Dummen, fest zusammenhalten. Am Ende ist die Dumme das herzige Mari-Foto: Thomas Seufert

anderl, das weg will vom Va-

ter und vom brutal-treuherzigen Fleischermeister Oskar, ihrem Verlobten. Darum wirft sie sich dem Taugenichts Alfred an den Hals, und ihr gemeinsames Kind kommt zur Großmutter ins Wachauer Landerl. Die bringt es um. Mariannes Willen ist gebrochen, der Weg frei zur Versöhnung mit dem Vater und zur Hochzeit mit Oskar.

Im bat-Studiotheater verkörpern zehn SchauspielschülerInnen der Ernst-Busch-Hochschule das ganze Pandämonium komisch-unheimlicher Typen. Martin Reiks Oskar ist ein Bilderbuch-Fleischer mit rasiertem Schädel und klobigen Armen, Tilo Werners Alfred dessen schmächtiges Gegenbild. Anja Marlene Korpiun spielt Marianne als willensstarke Rebellin in Schnallenschühchen. Als sie sich zu Alfred bekennt, spricht sie sehr langsam, auf jedem einzelnen Laut ausruhend, wie erstaunt und überrascht vom eigenen Mut zum Aufbegehren. Ursina Lardi betont einfühlsam die Verletzlichkeit der alternden Tabaktrafikantin Valerie, während Mariannes Vater (Max Hopp) als allzu harmloser Possenreißer erscheint, dem man seine Bosheit nicht recht zutraut. Die vielen, sich verzweigenden Nebengeschichten werden lustvoll ausgespielt, kleine Rollen wie die der blinden Komteß (Miriam Kohler) gewinnen eine hinterhältige Qualität: Wir Zuschauer lachen über die Trampeligkeit des Krüppels und müssen im eigenen Lachen die Herzensrohheit erkennen, die eben nicht nur in Wien zu Hause ist.

Die Inszenierung gibt allen Schauspielern breiten Raum zur Entfaltung – so viel Raum, daß am Ende doch der Schwung fehlt. Die lebendige Fülle der „Geschichten“ erstarrt, weil man sich allzusehr an die Buchstaben des Werkes hält. Und die allzu sparsamen Regieeinfälle verdoppeln nur die Aussage: Wenn Marianne zum stummen Himmel betet, kommt bloß ein Echo zurück, donnernd schlagen die Kirchentüren vor ihr zu. Alles klar: Dieser Herrgott kann nur ein Wiener sein. Miriam Hoffmeyer

Aufführungen am 9., 10., 24. und 25. Februar, jeweils um 19.30 Uhr im bat-Studiotheater, Belforter Straße 15, Prenzlauer Berg

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