Klemann wird grün

■ Im nächsten Schuljahr soll ein Modellversuch starten, der den einzelnen Schulen mehr eigene Verantwortung gibt

Ein munterer Schulsenator präsentierte gestern ein fast revolutionäres Konzept, welches in Berlin eine längst notwendige Bildungs- und Schulreform in Gang bringen könnte. Unter dem Motto „Mehr Verantwortung für die Einzelschule“ soll im nächsten Schuljahr an den Berliner Schulen ein Modellversuch gestartet werden, nach dem sie zum erstenmal für Lehr- und Lernmittel, Möbel, Turn- und Sportgeräte global eine Summe Geld zur Verfügung gestellt bekommen.

Damit, so Schulsenator Jürgen Klemann (CDU), könnten sie dann selbständig haushalten. Konkret heißt das: Die Schulen bekommen, je nach Schulart, zwischen 60.000 Mark (zum Beispiel für eine Grundschule mit drei Parallelklassen pro Jahrgang) und 200.000 Mark (für eine Gesamtschule mit acht Parallelklassen). Außerdem wird den Lehrern die Möglichkeit gegeben, ihre etwa für Bibliotheks- oder Verwaltungsarbeit vorgesehenen „freien Stunden“ untereinander aufzuteilen. So könnte beispielsweise ein Lehrer, der eine besonders schwierige Klasse übernimmt, von Kollegen diese sogenannten Ermäßigungsstunden „geschenkt“ bekommen und so seine wöchentliche Stundenzahl verringern. Die Schulverwaltung rechnet damit, daß von rund 900 Berliner Schulen etwa 100 an dem Modellversuch teilnehmen werden.

In Zukunft soll die Entscheidungskompetenz für Veränderungen und Schwerpunksetzung an diesen Schulen erweitert werden: Statt des Leiters wird nun der Schulkonferenz – also Lehrern, Schülern und Eltern – Verantwortung übertragen. Neben der finanziellen Unnabhängigkeit sei aber vor allem eine pädagogische Reform das Anliegen des Modellversuchs, so der Senator. Jede Schule habe die Möglichkeit, ihr eigenes Profil herauszubilden. Gedacht ist hier an den Kanon einer alternativen und von engagierten Bildungspolitikern schon lange geforderten Reform des Unterrichts – wie Projekt- und Praxisbezug, Aufbrechen der Rahmenpläne.

Nach Ansicht der bündnisgrünen bildungspolitischen Sprecherin, Sybille Volkholz, ist Klemanns Vorstoß nicht neu. Schon vor zwei Jahren habe das Parlament auf Antrag ihrer Fraktion einen Modellversuch beschlossen. Damals wurde der Senat aufgefordert, den Schulen künftig mehr Eigenverantwortlichkeit zuzuweisen und bis Ende März 1995 dem Parlament dazu einen Bericht vorzulegen. „Wir sind immer froh, wenn unsere guten Anstöße übernommen werden“, quittiert Volkholz Klemanns Bericht.

Ähnliche Modellversuche werden seit geraumer Zeit auch in Hamburg, Bremen und Hessen durchgeführt. Auch hier wurden den Bildungsstätten mehr Kompetenzen übertragen, die zuvor die Schulaufsicht wahrnahm. Michaela Eck