Die Zombies des Präsidenten

Mit allen Mitteln betreibt Ramón Mendoza seine Wiederwahl als Präsident des hochverschuldeten Fußballklubs Real Madrid  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

„Das Beste für Madrid“ wolle er, so verkündet ein smarter Mittfünfziger von Plakatwänden herab. Nein, auch wenn die Vermutung naheliegt, die Kommunalwahlen sind nicht von Mai auf Februar vorgezogen worden. Was dann Anlaß zu Wahlkampf im großen Stil mit Fernsehdebatten zu bester Sendezeit gibt? Real Madrid wählt am 19. Februar seinen Präsidenten.

Bereits vorab wurde mit allen Mitteln gefochten. Jeder Kandidat mußte mindestens 2.000 Unterschriften von Clubmitgliedern auf sich vereinigen, um zur Wahl antreten zu können. Dreien gelang dieser Sprung über die erste Hürde, dem bisherigen Präsidenten Ramón Mendoza und seinen beiden Herausforderern Florentino Pérez und Santiago Gómez Pintado. Mit allen Tricks versuchten die Kandidaten, bei der Unterschriftensammlung am besten abzuschneiden, ein psychologischer Pluspunkt für den weiteren Wahlkampf. Von Mendozas 9.401 Unterschriften waren nur knapp mehr als die Hälfte, nämlich 4.958, gültig; 120 seiner Unterstützer waren, so stellte sich heraus, bereits seit Jahren verstorben. „Zombies stimmen für Mendoza“, spottete Spaniens Sportpresse. Aber auch die anderen zwei Kandidaten hatten mehr als 20 Prozent ungültiger Unterschriften eingereicht.

Hauptthema im Streit um den Vorsitz ist nicht etwa die sportliche Lage des Clubs, was nach vier Jahren ohne Meisterschaft und dem frühen Ausscheiden im UEFA- Cup gegen Odense BK nicht weiter erstaunlich wäre, sondern die wirtschaftliche Situation. Seine Herausforderer werfen dem 67jährigen Importhändler und Lebenskünstler Mendoza eine verheerende Geschäftsführung vor. Im Kreuzfeuer der Kritik steht dabei Mendozas Lebenswerk, der Stadionausbau, der eine umstrittene Ladengalerie einschließt. Aus dem Bernabéu sollte so eines der modernsten Stadien Europas werden. Ob das gelungen ist, darüber scheiden sich die Geister.

Rekorde bricht Real Madrid allerdings, was die Verschuldung angeht. Dazu beigetragen haben soll die zweifelhafte Personalpolitik Mendozas, der seine Lieblingsspieler Butragueno, Buyo, Chendo, Michel und Sanchis mit großzügigen und langjährigen Verträgen ausgestattet hat, ohne daß die in die Jahre gekommenen Leistungsträger von einst auf dem Spielfeld noch zu entsprechenden Gegenleistungen fähig wären. Der Stadionausbau schlug am Ende mit 80 Millionen Mark zu Buche, doppelt soviel wie ursprünglich geplant. Der Club sei heute mit 100 Millionen Mark in den roten Zahlen, nur noch wenig vom Bankrott entfernt, so Florentino Pérez, aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat und Lieblingskind der Sportjournalisten. Mendozas Kassenwart, der ehemalige Finanzminister Juan Villar Mir, leugnet die finanzielle Misere: Der Club sei gesund, und dank der Mieteinnahmen aus der Geschäftszeile werde man zu neuen Höhenflügen ansetzen.

Und unser Mann vom Plakat, Santiago Gómez Pintado, versucht sich von seiner Außenseiterposition verzweifelt nach vorne zu arbeiten. Der 58jährige Autohändler sieht sich selbst gerne in der Rolle des ehrenwerten, arbeitsamen Unternehmers. Nach seinen Hobbys befragt, verweist er auf sein im Zentrum der Hauptstadt gelegenes Autohaus. Er gehe ganz in seiner Arbeit auf; jede freie Minute und jede Pesete investiere er in das Unternehmen. Damit versucht er sich von Mendoza abzuheben. Der derzeitige Präsident von Real Madrid antwortet, nach seiner Arbeit befragt: „Importeur“. Nur zu gut weiß man in der Hauptstadt, was das bedeutet: Sein Handelsimperium baute er mit Penicillin-Schiebereien zwischen Spanien und der UdSSR auf.

Zusammen mit der Skandalpresse holt Pintado zum Schlag gegen seine zwei Mitbewerber aus. Der mit 47 Jahren jüngste im Bunde, Florentino Pérez, einer der größten spanischen Baulöwen, sei in Korruptionsfälle beim Straßenbau in Andalusien verwickelt. Des weiteren beschuldigte er sowohl Mendoza als auch Pérez guter Kontakte zum katalanischen nationalistischen Politiker Miguel Roca. Das bedeutet in den hauptstädtischen Fußballkreisen soviel wie Hochverrat. Ist doch der FC Barcelona, wichtigster Club der nach mehr Unabhängigkeit strebenden Nordregion Katalonien und Meister der letzten vier Jahre, der Erzfeind des für den spanischen Zentralismus stehenden Real Madrid.

Die drei Kandidaten sind sich in zwei Punkten einig: Wenn sie gewählt werden, wollen sie ein millionenschweres Projekt, die sogenannte Sportstadt mit Stadien für jedes nur erdenkliche Spiel und mit Trainingszentren verwirklichen, mit oder ohne Geschäftszeile, je nach Plan. Woher das Geld kommen soll, weiß allerdings keiner so recht. Außerdem einigt sie der Glaube an die diesjährige Meisterschaft des Clubs, die bei einer Führung mit drei Punkten Vorsprung in der Tabelle in Reichweite scheint. Und wenn man abermals scheitern sollte, so bleibt doch zumindest ein Trost: Der Meister wird diesmal wohl kaum FC Barcelona heißen.