Fakten, Fakten, Faken!

■ Taslima Nasrin bestreitet, der Zeitschrift „Focus“ ein Interview gegeben zu haben

Berlin (taz) – „Das Interview, das Focus abgedruckt hat, hat niemals stattgefunden“, erklärte Taslima Nasrin gestern gegenüber der taz. Das Münchener Magazin hatte am vorletzten Montag aus Anlaß von Nasrins Besuch in Deutschland ein Gespräch veröffentlicht, in dem sich die Autorin freimütig über die Spitzen der deutschen Politik geäußert hatte: Sie „vertraue Helmut Kohl“, war da zu lesen, und sie freue sich „auf Klaus Kinkel. Ich habe im schwedischen Fernsehen gesehen, wie er während des Wahlkampfes die Ärmel aufgekrempelt hat, seine Muskeln zeigte. Ist er ein politischer Schwarzenegger?“ Im Gespräch mit der taz nannte Frau Nasrin diese Zitate „eine absurde Fälschung“.

In dem von Focus verbreiteten Text nennt Taslima Nasrin Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer, die „in ihrem Land die Stimme gegen die Barbaren erhoben“ hätten. Von der taz mit den Namen der beiden von den Nazis verfolgten Theologen konfrontiert, sagte Nasrin, sie „kenne sie nicht“. Sie sei diesen Namen zum ersten Mal in dem Focus-Interview begegnet. Der Text sei ihr vor der Veröffentlichung weder von der Redaktion noch von dem Journalisten Hans-Joachim Schilde vorgelegt worden, der in Focus namentlich dafür zeichnet.

Das verwundert allerdings kaum, denn laut Nasrin hat das Interview nicht stattgefunden. Die Redaktion von Focus zog sich auf Anfrage der taz darauf zurück, daß man Schilde „vertraut“ habe. Das tat auch Taslima Nasrin, als sie sich kürzlich bei ihrem Deutschlandbesuch von dem in Oslo ansässigen deutschen Journalisten begleiten ließ. Er war bis zum Redaktionsschluß für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Gegenüber der taz sagte Nasrin, sie habe Schilde angerufen und gefragt, welche Absichten er mit der Fälschung verfolge. Darauf habe jener ihr geantwortet, das Ganze sei doch „nur zu ihrem Besten“. Nasrin äußerte sich „sehr enttäuscht“ über die Affäre. Das Ganze habe einen „rassistischen Aspekt“: Sie frage sich, ob man so mit ihr umspringen würde, wenn sie keine Fremde, nicht so hilflos und des Deutschen mächtig wäre.

Ihr Englisch ist allerdings so gut, daß ihr bei der Lektüre einer Übersetzung des angeblichen Interviews eine gewisse Ironie nicht entgehen konnte. Eine der fingierten Antworten lautet: „Ich habe für die Wahrheit wahrscheinlich alles verloren.“ Das scheint nun nach dem Stand der Dinge nichts weniger als die reine Wahrheit, wer auch immer sich den Satz ausgedacht hat. Jörg Lau