Wer erbt van Gogh?

■ „Beutekunst“: Nach fünfzig Jahren im Depot wird die Sammlung Krebs ausgestellt

Berlin (taz/dpa) – Rußland präsentiert Häppchen der ab 1945 aus Deutschland abtransportierten Kulturgüter, die sogenannte „Beutekunst“. Gestern wurden in der Eremitage von Petersburg drei Werke aus der Privatsammlung Krebs erstmalig der Presse vorgestellt. Es handelte sich um „Das weiße Haus“ von van Gogh, „Place de la Concorde“ von Degas und die „Zwei Schwestern“ von Gauguin. Die Bilder waren bis 1948/1949 in einem Schlößchen bei Weimar untergebracht und von der Sowjetarmee mitgenommen worden. Sie gehören zu einer Sammlung von 74 weiteren Meisterwerken.

Sämtliche Bilder der Sammlungen Krebs und Gerstenberg werden vom 30. März bis zum 29. Oktober 1995 in der Eremitage erstmalig der Öffentlichkeit gezeigt. Nach der Präsentation der unmittelbar nach dem Krieg aus der Bremer Kunsthalle abtransportierten Werke im Jahre 1992, ist die kommende Ausstellung die zweite, in der „Beutekunst“ überhaupt zu besichtigen ist.

Die 74 Bilder werden nach der Eremitage „nirgendwo hingehen, weil der juristische Status nicht geklärt ist“, sagte der Direktor des Museums, Michail Pietrowski. Und der stellvertretende russische Kulturminister, Michail Schwydkoi, meinte: „Wenn die Nachkommen Ansprüche anmelden, wird dies nach dem internationalen Recht geklärt.“ Wer die theoretisch restitutionsberechtigten Erben sind, muß auch hierzulande noch herausgefunden werden. Bei der Sammlung Krebs könnte dies Thüringen sein, weil der Chemieindustrielle die Bilder einer Weimarer Stiftung übergeben hatte.

Über die generelle Rückgabe gibt es einen sich zunehmend verhärtenden Streit zwischen der BRD und Rußland. Auf einer Tagung in New York prallten Mitte Januar die Gegensätze aufeinander. Während die BRD auf der Einhaltung des deutsch-russischen Freundschaftsvertrages von 1990 bestand, wonach „unrechtmäßig verbrachte“ Kunst zurückgegeben werden muß, erklärte die russische Seite, daß mit der Kapitulationsurkunde 1945 auf sämtliche Ansprüche verzichtet worden sei. Bei den Sammlungen Krebs und Gerstenberg dürfte diese harte Haltung allerdings nicht durchzuhalten sein: Sie waren unbestritten Privatsammlungen und fallen auch nach großzügiger Auslegung unter den Begriff „unrechtmäßig verbrachte“ Kunst.

Aktueller Anlaß der gestrigen Präsentation: ein zeitgleich in New York und Petersburg erscheinender Kunstkatalog. Die russische Seite hat gegen Devisen die Fotorechte an den Bildern der Sammlung Krebs in die USA verkauft. Anita Kugler