■ Nachruf
: Gedrängt hatte sich Eugen Loderer nie

Stuttgart (taz) – Elf Jahre war er Chef der größten Einzelgewerkschaft der Welt, der IG Metall. Doch gedrängt hat er sich nach dieser Verantwortung nicht. Am Donnerstag ist Eugen Loderer 74jährig in seiner schwäbischen Heimatstadt Heidenheim verstorben.

Loderers Gewerkschaftslaufbahn beginnt in Heidenheim, wo er nach dem Krieg Betriebsratsvorsitzender und später hauptamtlicher Funktionär der Metallgewerkschaft wird. Eigentlich ist er mit seiner Wahl in den Stadtrat und mit seinen Funktionen in der SPD zufrieden, als der Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, Willi Bleicher, ihn fragt, ob er Bezirkssekretär in Stuttgart werden will. Willi Bleicher – vor 1933 zunächst KPD-Mann, dann in der KP-Opposition und bis 1945 zehn Jahre in Gefängnissen und Konzentrationslagern – macht aus Loderer einen seiner ersten Schüler. 1963 verlangt er, daß Loderer DGB-Landesvorsitzender wird. Der Schützling zögert, traut sich die Aufgabe nicht zu. Das gleiche Spiel wiederholt sich 1968, als Bleicher seinen Mann zum stellvertretenden Vorsitzenden der IG Metall machen will. Loderer läßt sich drängen, und als 1972 Otto Brenner stirbt, wird er auch noch zum Ersten Vorsitzenden der IG Metall gewählt.

Bis dahin gilt der fleißige Schwabe als linker Sozialdemokrat. Loderer ist in den sechziger Jahren ein Gegner der Großen Koalition in Bonn und Stuttgart, und er mobilisiert gegen die geplanten Notstandsgesetze. Als die SPD bei den Landtagswahlen 1968 unverhältnismäßig schlecht abschneidet, kann sich Loderer innerhalb der Partei mit seiner ablehnenden Position gegenüber der Großen Koalition durchsetzen. Weil der Landesvorsitzende zurücktritt, übernimmt er als Vize zeitweise den Vorsitz.

Erst in den 70er Jahren wird aus dem „linken“ ein „rechter“ Sozialdemokrat. Es beginnt die Zeit der „Unvereinbarkeitsbeschlüsse“. Tausende vor allem in K-Gruppen organisierte Jung- Metaller werden ausgeschlossen. Die rebellische Metall-Jugend findet in Loderer ihren Lieblingsgegner. Auch Ziehvater Bleicher wird jetzt – vor allem von der DGB-Jugend in Baden-Württemberg – für den Kampf gegen den Vorsitzenden und seine konservative Haltung benutzt. Einer der damaligen Aktivisten ist der heutige IGM-Vice Riester.

Loderer tut sich schwer mit dem Apparat. Je mehr er sich überfordert und unsicher fühlt, desto starrer führt er seine Organisation und desto unbeweglicher wird sein politisches Denken. Jetzt beginnt auch der innergewerkschaftliche Kampf gegen ihn. An seiner Spitze profiliert sich immer wieder der Stuttgarter Bezirksleiter Franz Steinkühler, ebenfalls ein Bleicher-Schüler. Steinkühler will vor allem die Arbeitsbedingungen verbessern, was die Gewerkschaften lange Zeit als unmöglich angesehen hatten. Zur Opposition gehört auch der heutige IGM-Chef Zwickel, damals Bevollmächtigter in Heilbronn/Neckarsulm.

Loderer gilt in den siebziger Jahren als Bremser. Erst 1977 beispielsweise kann sich die Gewerkschaftsbasis gegen ihn mit der Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden durchsetzen. Ende 1978 und Anfang 1979 streiken die Stahlarbeiter für diese Forderung. Ohne Erfolg. Erst unter Loderers Nachfolger Hans Mayr schafft die Gewerkschaft dann 1984 den Durchbruch. Hermann G. Abmayr

Abmayr ist Autor des Buches „Wir brauchen kein Denkmal. Willi Bleicher, der Arbeiterführer, und seine Erben“