Wie nimmt man einem Gen den Fingerabdruck ab?

■ Im Prozeß gegen Manfred L. stehen erstmals die Methoden auf dem Prüfstand, mit denen man den genetischen Fingerabdruck bestimmen kann

Nimmt man das in dubio pro reo ernst, wird die 32. Strafgerichtskammer des Berliner Landgerichts den Angeklagten Manfred L. wohl freisprechen müssen. 17 Monate saß er wegen des dringenden Verdachts, Martina Madlowski ermordet zu haben, in Untersuchungshaft. Die Leiche war verwest im Wald aufgefunden worden, der Angeklagte war derjenige, mit dem sie zuletzt gesehen worden war. Der Verdacht fiel auf Manfred L., nachdem man in seiner Wohnung Blut auf dem Badezimmerteppich und dem Bettvorleger gefunden hatte. Die Polizeitechnische Untersuchungsanstalt (PTU) verglich dieses Blut mit dem des Vaters und des Sohnes der Ermordeten. Der sogenannten genetische Fingerabdruck ergab: Die Blutspuren in Manfred L.s Wohnung stammen mit über 99prozentiger Wahrscheinlichkeit von der Toten.

17 Monate später, am 24. Januar dieses Jahres wurde der Angeklagte aus der U-Haft entlassen und kam gestern als freier Mann zur Verhandlung. Ein anderes genetisches Gutachten, erstellt von dem Rechtsmedizinischen Institut der Freien Universität in Berlin kam zu dem entgegengesetzten Ergebnis: „Er war es nicht.“

Die gestrige Verhandlung endete mit einer Einschätzung des Vorsitzenden Richters Hans-Christian Luther: Es lohne nicht, einen weiteren Gutachter zu bestellen, eine Art Obergutachter, der könne dem Gericht auch nur im „allgemeinen sagen, welche Methode zu bevorzugen sei.“ Bezogen auf den konkreten Fall wäre auch ihm versagt festzustellen, welche Stelle das richtige Gutachten gemacht habe. „Mit dem Auseinanderfallen der beiden Gutachten muß man sich abfinden.“ Und da im Strafrecht nun einmal der Grundsatz gilt, daß der Angeklagte im Zweifel freizusprechen ist ...

Doch selbst ein Freispruch würde in diesem Fall nichts darüber aussagen, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht. Es wäre ein Freispruch im rechtlichen Sinne. Gleichzeitig aber würde er das tiefe Vertrauen in die DNA-Analyse erschüttern. Bislang glaubte man an die Unfehlbarkeit der Analysemethoden. Die Anwälte Johannes Eisenberg und Stefan König gehören zu den ersten, die sich über die verschiedenen Verfahren wirklich sachkundig gemacht haben und so in der Lage waren, an die verschiedenen Gutachter kritische Fragen zu stellen.

Doch die Antworten waren nicht zufriedenstellend: Keiner der Gutachter konnte erklären, wo die Fehler in der Gegenanalyse liegen. Der Angeklagte selbst: „Ich habe keine Ahnung mehr, was hier passiert. Ich weiß nicht, weshalb ich im Januar freigekommen bin“. Agathe Januar