■ Ökolumne
: Abgetaucht Von Thilo Bode

Als Greenpeace im letzten Sommer die in seinem Auftrag vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) angefertigte Studie über die Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform präsentierte, nahmen wir an, auch die deutsche Wirtschaft hätte daran ihre Freude. Hatten die Unternehmerverbände doch jahrelang über die bürokratische Last der weit mehr als 1.000 Umweltverordnungen und -gesetze geklagt und nach marktwirtschaftlichen Regelungen gerufen. Preise sollten endlich steuern, nicht Bürokraten! Eine Energiesteuer, die noch nicht einmal die Abgabenlast erhöht, weil mit dem Steueraufkommen andere Belastungen der Unternehmen im Bereich der Lohnnebenkosten finanziert werden, entsprach dieser Forderung doch ideal. Und erst die Ergebnisse: Eine aufkommensneutrale Energiesteuer hat auch im nationalen Alleingang keine negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft; die Energienachfrage sinkt um rund 20 Prozent; zirka 500.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen; der ohnehin notwendige Strukturwandel, weg von den „Saurier-Industrien“ Kohle, Stahl, Grundstoffchemie hin zu High- Tech-Branchen und Dienstleistung, wird gefördert.

Sicherlich für manche Unternehmen ein schmerzlicher Prozeß, aber dieser gehört nun mal zur Marktwirtschaft. Doch in der Realität erwiesen sich die marktwirtschaftlichen Prinzipien unserer Unternehmer schnell als Makulatur. Der Bundesverband der Deutschen Industrie war sich nicht zu schade, die Vorschläge der Steuerreform als „ökologische Planwirtschaft“ zu verurteilen. Moderatere, aber nicht weniger abweisende Argumente schlugen die Industrieverbände an, als ihr panikartiger Versuch, sich wissenschaftliche Gegenmunition zu beschaffen, fehlschlug. Da alle wissenschaftlichen Institute mit praktisch identischen makroökonomischen Modellen arbeiten, kamen auch arbeitgeberfreundliche Forscher wie die Greenpeace-Studie zu dem Schluß, daß die volkswirtschaftlichen Effekte einer nationalen Energiesteuer letztlich positiv seien.

Aber nicht nur die Verbände, auch die hundert größten deutschen Konzerne tönten bis auf eine Handvoll Außenseiter unisono, die Risiken einer ökologischen Steuerreform seien zu groß. Wenn überhaupt, dann sei solch ein Vorhaben nur europaweit möglich, behaupteten sie, wohl wissend, daß diese Forderung den Todesstoß für jedes Reformvorhaben bedeutet. Ist es denn zuviel verlangt, daß die Unternehmer sich stellen, wenn ihnen endlich ein konkretes marktwirtschaftliches Instrument für ein ökologisches Umsteuern vorgeschlagen wird? „Ja, das ist interessant, aber es gibt noch Probleme. Laßt uns diese Probleme gemeinsam lösen“ – solch eine Reaktion hätte die Ernsthaftigkeit der ökologischen Absicht belegt. Das kategorische „Ökosteuer – nein danke“ der Industrie entlarvt dagegen die Tintenfischmentalität der Unternehmer: Lieber einnebeln und wegtauchen.

Typisch die verbalen Volten von Deutschlands oberstem Industriemanager Edzard Reuter. Da erörtert er nach grundsätzlichem Bekenntnis zu einer marktwirtschaftlichen Umweltpolitik in der Zeit ganzseitig die seiner Meinung nach kaum abschätzbaren Risiken einer Ökosteuer, um dann am Schluß zu sagen, daß freiwillige Vereinbarungen doch am besten wirken würden. Wie armselig! Wenn die Unternehmer glauben, eine Ökosteuer funktioniere nur europaweit, warum präsentieren sie dann keine Vorschläge zur europaweiten Durchsetzung? Wo bleiben denn die eigenen kreativen und intelligenten Konzepte der Unternehmer, die der Umwelt auch wirklich nutzen?

Inzwischen ist es dafür fast zu spät. Schon erwägen SPD und CDU, mit einer Energiesteuer den Steinkohlebergbau zu subventionieren. Eine absurde Idee: Eigentlich sollte eine Energiesteuer den Kohlendioxidausstoß senken und nicht durch Steinkohleverstromung erhöhen. Solcher Unsinn könnte nicht ernsthaft diskutiert werden, wenn die Industriellen ihre lauthals postulierte gesellschaftspolitische Verantwortung ernst genommen und sich mit seriösen Konzepten an der Debatte beteiligt hätten. Aber unsere Unternehmer geben ein Bild ab, das eigentlich der Vergangenheit angehört: Profit als Maß aller Dinge! Ab jetzt sollten sie uns wenigstens mit ihren ökologischen Sonntagsreden verschonen. Das wäre zumindest ehrlicher.

Der Autor ist Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland.