Zu schön, um zu sterben

■ Die Frauenzeitschrift Sybille muß aufgeben / Kein Investor gefunden

„Zu schön, um erfolgreich zu sein“, oder „so etwas Niveauvolles verkauft sich nicht“, hörte Chefredakteurin Susanne Stein immer wieder von Anzeigenkunden. „Das ist bitter für uns, denn an den Lesern sind wir nicht gescheitert.“ Die Februarausgabe der Frauenzeitschrift Sybille wird auch die letzte sein. Die vier Gesellschafterinnen mußten Konkurs anmelden. Gescheitert ist die einzigartige „Zeitung für Mode und Kultur“ am Geld – und „an den seltsamen Marktgesetzen“ (Stein).

Die Sybille war einzigartig. Sie war nicht so glatt wie ihre West- Schwestern Cosmopolitan, Marie- Claire oder Vogue, sondern entwickelte eine eigenständige und sehr ansprechende Ästhetik. So anspruchsvoll (und wunderschön) kann Modefotografie sein. Statt ihre Leserinnen mit den neuesten Diäten und Ratgeberartikelchen über Eifersucht und andere Unwägbarkeiten des Liebeslebens zu ködern, fragte die Sybille: „Macht uns unser Schönheitsideal krank?“ Die redaktionelle Linie beschreibt Susanne Stein als „emanzipatorisch“, in der Mode bevorzugte frau „Klassisches“.

In der Modebranche wurde das Blatt hoch gelobt, dennoch blieben die Anzeigenkunden zurückhaltend. Für die Zeitschrift, die sich vor allem über Anzeigen finanzieren mußte, war dies verhängnisvoll. Trotz intensiver Suche konnte kein Investor gefunden werden. Der Zeitung haftete – völlig zu Unrecht – ihr „Ost-Charakter“ an.

1956 erschien die Sybille im Leipziger Verlag für die Frau. Schon damals mußte sie eine eigene modische Linie finden. Weil in den Läden nur der DDR-Einheitslook auf der Stange hing, wurden ab den siebziger Jahren Schnittbögen beigelegt. „Die Frauen sollten die Möglichkeit haben, sich was Modernes zu nähen“, sagt Moderedakteurin Lisa Schädlich, die schon damals dabei war. 1990 übernahm die Gong GmbH den Verlag und führte die Sybille zunächst weiter. Im Mai vergangenen Jahres übernahmen die vier Gesellschafterinnen die Zeitschrift zum symbolischen Preis von einer Mark.

In der Redaktion arbeiteten Ost- und West-Frauen zusammen, zuletzt hatte die Zeitschrift sogar mehr Leserinnen im Westen. Mit 6.000 Abonnentinnen und einer verkauften Auflage von 45.000 (gedruckt wurden 80.- bis 100.000 Exemplare) allerdings nicht genug, um schwarze Zahlen zu schreiben. Den Investoren zielte die Sybille zu wenig auf die Massen ab. Ihre Macherinnen hatten sie zwar bewußt als „Nischenprodukt“ angelegt und waren fest überzeugt, daß die Nische groß genug war. Doch die Entscheidungsträger hatten offenbar kein Vertrauen in das Konzept. Dorothee Winden